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Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Titel: Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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rechtzeitig, richtig und vollständig gesagt werden. Stössl fürchtete
nichts mehr, als einen Fehler zu begehen und dafür ausgelacht zu werden. Schon von
Kindheit an hatte sein kleiner Wuchs bei vielen seiner Spielgefährten und Schulkameraden
für Heiterkeit gesorgt. ›Meterprügel‹ hatten sie ihn genannt. Er hatte damit leben
gelernt, aber Balsam für sein Selbstvertrauen war es nicht gewesen. Ein Auftritt
vor vielen Menschen würde ihn wohl einiges an Überwindung kosten. Darum musste er
genau und mit Bedacht an die Sache herangehen. Dann konnte er sämtlichen Gefahren
trotzen, und sein Auftritt am Theater würde ihn in höhere Sphären heben, wie er
das in seinen stillen Träumen immerzu hoffte. Aber würde es ihm auch gelingen?
    Nach und
nach schüttelte er, ohne sich vom Lernen ablenken zu lassen, die Hände der Teilnehmer
an der heutigen Probe. Peter Pribil, Darsteller des Zangler, kam wie immer als Erster,
ein wenig später Sonja Friedl (Dienstmädchen Gertrud), Sven Biedermann (Weinberl)
sowie Thomas Korber, und zu guter Letzt Freddie Glomser (Hausknecht Melchior). »Das
ist klassisch«, begrüßte Stössl ihn wie immer mit jenem Satz, den dieser sozusagen
als Markenzeichen das ganze Stück über bei jeder Gelegenheit von sich gab.
    »Das ist
mein Text«, lachte Glomser. »Schön, dass du ihn schon so gut beherrschst. Und wie
schaut’s mit deinem aus, Fritz?«
    »Gut Ding
braucht Weile«, bemerkte Stössl mit erhobenem Zeigefinger. Es war ihm natürlich
eine große Freude, von seinen Kollegen als ihresgleichen angenommen zu werden. Um
im Gespräch zu beweisen, dass er bildungsmäßig durchaus mit ihnen mithalten konnte,
hatte er sich angewöhnt, ständig mit Zitaten und Lebensweisheiten um sich zu werfen.
Das bereitete ihm einen unendlichen Genuss.
    »Und wo
bleibt der Meister?«, erkundigte Pribil sich und schaute dabei nervös auf die Uhr.
    »Geht unten
auf und ab und raucht seine Zigarre fertig«, informierte Glomser ihn mit vielsagendem
Blick.
    »Es ist
schon zehn Minuten über die Zeit«, bemängelte Pribil. »Und dann muss wieder alles
ruckzuck gehen. Ich wage nicht, daran zu denken, was los ist, wenn sich unsereiner
diese Unpünktlichkeit leistet.«
    »Er redet
ununterbrochen mit sich selbst. Ich glaube, er ist nicht gut drauf«, warnte Glomser.
    »Kann mir
jemand sagen, wann er einmal gut drauf ist?«, mischte sich Sonja Friedl in das Gespräch
ein.
    »Ich möchte
euch nur vorsichtig darauf hinweisen, dass heute wahrscheinlich wieder nicht gut
mit ihm Kirschen essen sein wird«, bemerkte Glomser achselzuckend.
    »Er sollte
sich nicht zu viel herausnehmen, wenn er nicht selbst mit gutem Beispiel vorangeht«,
meinte Friedl dazu.
    »Er kann
aber, denn immerhin ist er der Regisseur«, meldete sich Korber lakonisch.
    Fritz Stössl
blickte kurz von seinem Textbuch, in dem er mittlerweile Zuflucht gesucht hatte,
auf und sagte: »Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige.« Stolz auf seine Weisheit
überzog er sein Gesicht mit einem breiten Grinsen. Doch die Umstehenden, denen sein
Zitatenschatz in solchen Situationen gewaltig auf die Nerven ging, reagierten nur
mit einem lapidaren, in vielstimmigem Chor hingeworfenen »Stössl!«, worauf dieser
sofort wieder in der Lektüre seines Textes versank.
    Jetzt wurde
lautes Räuspern hörbar. Regisseur Herwig Walters war im Anmarsch. Als er den Probenraum
betrat, umwehte ihn noch das kalte Aroma seiner Zigarre. Walters war nicht unbedingt
groß, aber dennoch ein stattlicher Mann. Rotes, nicht ganz schulterlanges Haar umwallte
sein Haupt. Um den breiten Mund trug er einen dichten Backenbart. Wenn er so aufrecht
wie jetzt dastand, konnte er die Ansätze zu einem Bäuchlein gerade noch kaschieren.
Offenbar hatte er zu diesem Zweck auch in der warmen Jahreszeit immer ein Sakko
an.
    Sein ansonsten
federnder Schritt – das Einzige, was an ihm jugendlich und leicht wirkte – war schwerer
und langsamer als sonst. Über seinem Gesicht lag ein deutlicher Schatten. Er nahm
sich eine Tasse Kaffee aus der bereitgestellten Thermoskanne, begrüßte die Umstehenden
mit »Hallo, allerseits« und warf einen prüfenden Blick auf die Szene. »Stössl, versetzen
Sie den provisorischen Durchgang weiter nach hinten«, ordnete er an. »Wir brauchen
den Platz. Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, dass unsere Bühne nur bis zu der Markierung
mit dem Klebestreifen geht? Und machen Sie bitte rasch, ich möchte nicht schon wieder
unnötig Zeit verlieren.«
    Pribil stieß
Glomser

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