Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
durcheinander zu bringen drohte, schweren Herzens
noch ein Achtel Wein.
Leopold
hingegen machte eine weitere geistige Notiz: 15 Uhr, Weinreberl auf der Prager Straße,
Herr Roland. Vielleicht würde er dort etwas darüber erfahren, weshalb sich Herwig
Walters die Nummer der anonymen Bekenner auf einem Zettel notiert hatte.
*
»Also du willst gar nichts mit mir
unternehmen? Das ganze Wochenende nicht?«
»Ich habe
dir schon gesagt, dass ich etwas Ruhe brauche, Thomas. Die letzten Tage waren anstrengend,
ich komme gerade von der Arbeit nach Hause. Und die Geschichte mit Walters muss
ich auch erst einmal richtig verkraften.«
»Ich habe
auch an nichts Großartiges gedacht. Vielleicht abends auf ein Glas Wein gehen, oder
ins Kino.«
»Ins Kino
bringst du mich sicher nicht. Und ein Glas Wein können wir am Montag nach unserer
ersten Probe im Haus der Begegnung trinken, da werden wir es sicher brauchen. Außerdem
ist es in unserer Situation jetzt wichtiger, dass wir uns alle zusammensetzen
und nicht einzeln. Wir sollten beraten, was zu tun ist, oder in Erfahrung bringen,
ob jemand doch etwas weiß.«
»Das ist
mir schon klar. Ich fand es eben am Donnerstagabend so schön, ehe es zu dem schrecklichen
Zwischenfall kam. Da hätte ich gerne weitergemacht. Aber zu zweit.«
»Waren wir
denn wirklich zu zweit? Ich glaube mich zu erinnern, dass uns eine dunkle Gestalt
gefolgt ist. Dein neugieriger Freund und ständiger Wegbegleiter Leopold lässt dich
offensichtlich ungern allein. Und er hat Angst um dich, Angst, dass ich dich nur
ausnütze. Das hat er mir heute selbst gesagt. Bist du nicht auch der Meinung, dass
wir uns zur Beruhigung seiner Nerven vorläufig nicht treffen sollten?«
Leopolds
Interventionen waren Korber gar nicht recht. Er schluckte ein paar Male, ehe er
wieder in den Hörer sprach: »Hör mal, Simone, was Leopold denkt oder sagt, ist für
mich ziemlich unerheblich. Könnten wir nicht doch …«
»Hast du
noch nicht bemerkt, dass es Schusterbuben regnet?«
»Schön,
ich gebe mich geschlagen«, gab Korber schweren Herzens nach. »Aber nicht für immer.
Ich mache mir schon noch Hoffnungen auf ein weiteres Rendezvous.«
»Schaun
wir mal. Jetzt warten wir erst den Montag ab«, hörte er von Simone.
»Also dann
bis Montag. Und vergiss nicht, ich mag dich«, hauchte Korber abschließend ins Telefon.
Plötzlich
wehte ihm ein kalter Lufthauch entgegen. Er kam von draußen. Eine Gestalt, mehr
nass als trocken, stand in der Tür. »Entschuldige, wenn ich dich beim Telefonieren
störe«, sagte sie. »Aber ich dachte …«
Korber fiel
aus allen Wolken. Er meinte, seinen Augen nicht zu trauen. »Geli?«, fragte er ungläubig.
»Wer sonst?
Oder hast du vielleicht ein anderes weibliches Wesen erwartet?«
»Nein, natürlich
nicht. Es ist nur … das Theaterstück hält mich im Augenblick auf Trab. Deswegen
auch der Anruf. Eine Kollegin. Schauspielkollegin, genauer gesagt«, stotterte Korber
herum. »Und was machst du hier?«
»Ich habe
mir die Freiheit genommen einzutreten, den Schlüssel habe ich ja immer noch von
dir«, erklärte Geli. »Eben wegen eures Theaterstückes bin ich gekommen, hab mir
zwei Wochen von der Firma freigenommen und mache sozusagen Urlaub in Wien. Ich muss
dich natürlich live auf der Bühne erleben.« Ein kurzes Lächeln huschte über Gelis
Gesicht. Es war das erste Mal seit langem, dass Korber es wieder sehen konnte. Doch
sofort wurde sie wieder ernst. »Obwohl, es muss ja ganz schön bei euch zugehen,
wo euer Regisseur gestorben ist«, meinte sie. »Der Leopold hat’s mir gesagt. Ich
war noch einen Sprung im Kaffeehaus.«
»Ja, es
war schlimm.«
»Du hast
den Toten gefunden?«
Korber nickte.
Er wartete, ob noch eine Bemerkung bezüglich seines nächtlichen Badeausfluges kommen
würde, aber offenbar hatte Leopold Diskretion gewahrt. »Das Auffinden von Leichen
ist ja anscheinend eine Spezialität von dir geworden«, fuhr Geli fort. »Es hat sich
also nicht viel in Wien geändert. Leopold ist schon ganz gamsig darauf, den Täter
zu finden, und du musst ihm dabei zur Seite stehen.«
»Diesmal
nicht«, beeilte sich Korber zu sagen. »Die Schauspielerei kostet mich genug Zeit
und Nerven, vor allem unter den gegebenen Umständen.« Er schaute in Gelis Augen
und kam sich dabei schrecklich unentschlossen vor. »Hast du schon irgendwelche Pläne
für dieses Wochenende?«, fragte er nach einer kleinen Pause.
»Nein«,
kam es sehr schnell aus ihrem Mund. »Ich bin ja hauptsächlich
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