Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
wegen des Stücks gekommen
– und wegen dir.«
»Das Wetter
ist nicht gerade einladend.«
»Das macht
nichts«, konstatierte Geli, während sie in die Küche ging und den Inhalt des Eiskastens
kontrollierte. »Was hältst du von einem gemütlichen Fernsehnachmittag?«, schlug
sie vor, als sie sah, dass die Vorratslage einigermaßen zufriedenstellend war.
»Das ist
eine prächtige Idee«, stimmte Korber zu. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er Geli noch
gar nicht richtig begrüßt hatte. Er ging ihr entgegen und stieß in der Küchentüre
beinahe mit ihr zusammen. Für einen Augenblick hielt er sie fest, dabei begegneten
sich ihre Lippen automatisch und küssten sich. »Ob du mir’s glaubst oder nicht –
du hast mir gefehlt«, gestand er ihr.
*
Herr Otto und Herr Roland standen
einträchtig nebeneinander an der langgezogenen Schank des ›Weinreberl‹. Herr Roland
war um beinahe einen Kopf größer als sein Gegenüber, hatte fülliges, nach hinten
frisiertes weißes Haar und eine dick umrandete Brille. Er trug einen leichten, hellbraunen
Sommeranzug. Herrn Ottos Augen waren im Verlauf der letzten Stunde kleiner geworden.
Die Anstrengungen seines täglichen Rundganges kamen schön langsam zum Vorschein.
Trotzdem bewahrte er Haltung. Überhaupt schien beiden Herren die Bedeutung ihrer
ehemaligen Position als Beamte, denen die Geschicke des Landes anvertraut gewesen
waren, stets bewusst zu sein. Auch jetzt, nach ihrer Pensionierung, repräsentierten
sie quasi den Staat nach außen. Sie waren allzeit bereit. Wenn man sie rufen würde
– aber leider rief ja keiner – würden sie schon noch beweisen, dass sie eigentlich
unentbehrlich waren. Sollte die Welt tatsächlich untergehen, dann vielleicht auch,
weil man ihre Dienste nicht mehr in Anspruch nahm.
»Roland,
das ist der Herr, von dem ich dir gerade erzählt habe«, raunte Herr Otto seinem
Kollegen zu, als Leopold zur Tür hereinkam.
»Soso!«
Herr Roland rückte seine Brille zurecht, um den Eintretenden besser betrachten zu
können. So mochte man ihm dereinst nach stundenlangem Warten vor den Amtsräumen
gegenüber gestanden sein.
»Der Ober
vom Café Heller, wie ich bereits erwähnt habe.«
»Jaja!«
»Ein aufgeschlossener
und sympathischer Mensch, wenn ich das so sagen darf.«
»Aha!«
Leopold
grüßte ein wenig zurückhaltend. Herr Roland machte eine kurze, einladende Geste
mit der Hand. »Gesellen Sie sich doch zu uns«, sagte er mit einem leichten Anflug
von Jovialität.
»Dankeschön,
Herr …«
»Roland!
Für Freunde meines Freundes Otto immer nur Herr Roland, bitteschön. Was ist es denn,
das sie auf dem Herzen haben?«
»Wenn Sie
mich so direkt fragen, sind es ein paar Einzelheiten über …«
»Diese anonyme
Bekenntnisgruppe, nicht wahr?«, unterbrach Herr Roland sofort. »Soso! Aha!«
»Ganz recht«,
hub Leopold erneut an. »Ich interessiere mich für diesen Verein, weil er so außerordentlich
…«
»Wenn Sie
einen Wams brauchen, empfehle ich Ihnen, konkreter zu werden«, stoppte Herr Roland
ihn erneut. Er brauchte Gründe, die er prüfen, ein konkretes Ansuchen, über das
er befinden konnte. Einen Akt eben, den er geistig zur Unterschrift fertig zu machen
gedachte.
»Dann lassen
Sie mich ausreden«, wurde Leopold ungeduldig. »Ich meine, weil er so außerordentlich
mit einer Person verknüpft ist, die mir nahe steht.«
»Soso!«
»Diese Person
dürfte Mitglied der Gruppe gewesen und dadurch in erhebliche Schwierigkeiten geraten
sein.«
»Jajaja!«
Herr Roland wandte sein Interesse wieder seinem Weinglas zu.
»Da würde
ich gern mehr darüber herausfinden«, fuhr Leopold fort. »Und dazu bräuchte ich Ihre
Hilfe.«
Herr Roland
schaute zu Herrn Otto, und der schaute wieder zurück. »Meinst du …?«
»Unter den
gegebenen Umständen …«
»Andererseits
…«
»Nun, man
könnte aber durchaus …«
»Wissen
Sie überhaupt, was Anonymität heißt?«, wandte Herr Roland sich jetzt wieder an Leopold.
»Es heißt, dass man unerkannt bleibt und nichts und niemandem gegenüber beim Namen
genannt wird.«
»Eben das
dürfte bei dieser Person nicht funktioniert haben«, konterte Leopold. »Denn sie
wurde möglicherweise erkannt und ihr Name genannt – sehr zu ihrem Nachteil.«
»Allerdings
könnte das fatale Folgen haben, jaja. Ich war einmal bei einer dieser sogenannten
Präsentationen anwesend«, erinnerte sich Herr Roland. »Es ging mir tief unter die
Haut. Ein Lehrer berichtete darüber, wie er jahrelang seine Schüler nach
Weitere Kostenlose Bücher