Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
bestätigt. Einmal Tankstelle, nie wieder Tankstelle. Mit
dem Geld, das sie jetzt wohl hoffentlich von ihrem Vater erben würde, konnte sie
die Fahrschule machen und sich ein Auto kaufen. Nur zu blöd, dass sie dann während
des Fahrens immer wieder tanken würde müssen.
Als sie
zurück auf der Straße und etliche Meter weit weg war, versuchte sie, wieder einen
klaren Kopf zu bekommen. Sie überlegte. Weshalb war der unbekannte Anrufer nicht
gekommen? Hatte er sie absichtlich zum Narren gehalten? Andererseits kannte er ihre
Telefonnummer und wusste über die Geschichte mit der Erbschaft Bescheid. Irgendetwas
musste also an der Sache dran sein. Aber was steckte dahinter? Sollte sie noch ein
bisschen warten? Nein! Die vereinbarte Zeit war überschritten, und besondere Lust,
noch einmal in den Tankstellenshop zu gehen, verspürte sie sowieso nicht.
Da fiel
ihr ein, dass ihr Handy nach wie vor abgeschaltet war. Vielleicht hatte der Unbekannte
sie in der Zwischenzeit angerufen. Vielleicht hatte er keine Zeit gehabt und das
Treffen verschoben. Vielleicht war er auch misstrauisch geworden und hatte seinen
Plan kurzfristig geändert. Sie kannte das von den Kriminalfilmen im Fernsehen.
Während
sie sich über derlei Dinge den Kopf zerbrach und dabei ihr Handy wieder einschaltete,
stand plötzlich jemand vor ihr, den sie sehr gut kannte. »Was machst du denn da?«,
fragte sie.
*
»Ich habe noch ein paar Erledigungen
nach der Probe gehabt. Jetzt bin ich gerade auf dem Heimweg hinüber in den 20. Bezirk.
Bei halbwegs schönem Wetter gehe ich gerne das kurze Stück durch den Aupark und
dann auf der Fußgängerbrücke über die Donau. Man kann in der lauen Abendluft gut
nachdenken.«
Anette Riedl
hatte ihr Handy wieder eingesteckt. »So weit gehst du zu Fuß?«, fragte sie ungläubig.
»Was glaubst
du, wie oft ich das schon getan habe, Schätzchen. Irgendwann habe ich aufgehört
zu zählen. Außerdem ist es gar nicht so weit. Du kannst mir ja ein wenig die Zeit
verkürzen. Es wäre nett, wenn du mich ein paar Schritte begleiten würdest.«
Anette mochte
nicht in den mittlerweile dunklen Park. Sie mochte auch die großspurige Elfriede
Bachmann nicht, die sie da wieder einmal von oben herab behandelte.
»Hast du
Angst?«
»Nein«,
log Anette. Sie konnte es Elfriede gegenüber einfach nicht zugeben, dass ihr in
solchen Situationen mulmig zumute war.
»Dann geh
doch ein Stück mit mir«, forderte Elfriede sie auf. Es klang sehr, sehr bestimmend.
Wenn sie
nicht mitging, dann würde Anette als feige verspottet werden, würde sie in den nächsten
Tagen hunderte kleine Sticheleien von Elfriede und ihrer Schwester Simone ertragen
müssen. Sie war feige, und ihre Feigheit äußerte sich darin, dass sie sich nicht
traute, Elfriede Bachmanns Angebot auszuschlagen. »Na gut«, gab sie nach.
»Entschuldige,
wenn ich dich darauf anspreche, aber es pfeifen ja schon die Spatzen von den Dächern.
Du bist bald ein reiches Mädchen. Wie fühlt man sich denn da?«, wollte Elfriede
wissen, als sie in den Park einbogen.
Niemand
möchte wissen, wie ich mich gefühlt habe, als man mir gesagt hat, dass mein Vater
nicht mein richtiger Vater und mein richtiger Vater jetzt tot ist, dachte Anette.
Sie sagte: »Ich kann das alles noch gar nicht richtig glauben. Wer weiß, stimmt
es.«
»Es wird
schon stimmen. Eine Zeitlang habe ich mich auch reich gefühlt«, erzählte Elfriede.
»Ich habe nämlich geglaubt, dass ich Herwigs Geld bekomme, musst du wissen. Ich
habe ihn schon von früher gekannt, als ich noch in die Schauspielschule gegangen
bin. Er hatte sich schon damals an mich herangemacht. Und jetzt? Du kannst dir nicht
vorstellen, wie liebestoll die Männer werden, wenn sich ihr Aussehen erst einmal
zu ihrem Nachteil verändert hat. Es war nicht schwer zu verstehen, was Herwig von
mir wollte. Und ich habe ihn gewähren lassen.«
Sie ist
es, die sich mein Geld unter den Nagel reißen will, schoss es Anette durch den Kopf.
»Ich fürchte,
das ist jetzt ein wenig zu hoch für dich Schätzchen«, fuhr Elfriede Bachmann ungerührt
fort. »Aber ich möchte es dir erzählen, weil es sich um deinen Vater handelt. Ich
hatte also so etwas wie ein Verhältnis mit ihm. Es war rein sexueller Natur. Er
wolle sich noch einmal ausleben, hat Herwig gesagt, weil er spüre, dass es mit ihm
bald zu Ende sein werde. Es ging ihm oft nicht gut, und er hatte Angst vor dem Tod.«
Anette fühlte
sich bestätigt. Elfriede war so gewöhnlich und vulgär, wie
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