Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
sie es immer schon vermutet
hatte. Eine Pietätlosigkeit sondergleichen, ihr jetzt derlei Dinge anzuvertrauen.
»Was glaubst
du, warum ich das alles ausgehalten habe?«, fragte Elfriede, während sie sich immer
weiter von der Straße entfernten. »Seine ständigen Launen und Jammereien? Seine
ekligen Perversitäten, wenn er betrunken war? Weil ich ihn geliebt habe? Oh nein!
Ich hatte die Hoffnung, dass ich eines Tages sein Geld bekomme, und angeblich war
das ziemlich viel.«
»Du widerst
mich an«, sagte ihr Anette ins Gesicht. »Wieso hättest du sein Geld bekommen sollen?
Und von wo hast du gewusst, dass mein Vater reich war?«
»Nun beruhige
dich wieder, Schätzchen. Simone hat es mir erzählt, und sie hatte es von ihm. ›Sag
der Friedl, sie bekommt einmal viel Geld, wenn ich tot bin‹, hat er ihr im Reisebüro
geheimnisvoll mitgeteilt, noch bevor unsere Proben so richtig begonnen hatten. Sie
sollte es für sich behalten, bis das Theater mit dem Stück vorüber und er wieder
weg war, aber das hat sie natürlich nicht fertiggebracht. Wie ich mich damals gefreut
habe! Ein unappetitliches, eingebildetes altes Miststück, habe ich gedacht, aber
wenigstens nicht knauserig. Du kannst dir meine Enttäuschung vorstellen, als ich
erfahren musste, dass alles ganz anders war, und zwar von ihm selber.«
Elfriede
Bachmann war stehen geblieben. Anette stand daneben und wusste nicht so recht, was
sie tun sollte. Am liebsten wäre sie schnell weggelaufen, aber die Geschichte interessierte
sie einfach brennend. Also hörte sie schweigend weiter zu.
»Natürlich
hat er alles gewusst«, zischte Elfriede. »Hat gewusst, dass ich gewusst habe, was
gar nicht für mich bestimmt war. An diesem Abend war er schwer betrunken, als wir
uns trafen. Er war aus der Innenstadt gekommen. ›Liebst du mich wirklich? Oder tust
du mir nur schön, damit ich dir mein Geld hinterlasse?‹, wollte er wissen. ›Hat
Simone mit dir gesprochen? Sei ehrlich! Ich bin auch ehrlich zu dir. Wenn sie dir
etwas über mein Geld gesagt hat, hat sie mich falsch verstanden. Das bekommt die
Anette Riedl. Die ist nämlich meine Tochter.‹ Was für ein verlogenes Schwein! So
ausgenützt bin ich mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen. Gott sei Dank
hatte ich die Idee, ihm ein nächtliches Bad vorzuschlagen.«
»Du hast
ihn umgebracht«, platzte es aus Anette heraus. »Du hast meinen Vater getötet!«
»Erraten,
Schätzchen! Woher nimmst du bloß so viel Fantasie?«, lächelte Elfriede. Anette konnte
in der Dunkelheit ein schwaches Blitzen ihrer Zähne erkennen. In diesem Augenblick
läutete ihr Handy. Instinktiv griff sie danach. »Wirst du die Hand weglassen?«,
ereiferte sich Elfriede. Sie packte Anette unsanft am Arm.
»Lass mich
los, du tust mir weh«, schrie Anette.
»Ich lasse
dich erst los, wenn du mir zugehört hast, verstanden? Du hast deinen Vater ja nur
von den Proben her gekannt. Du hast ja nur in Ansätzen erlebt, was für ein präpotenter
Kerl er sein konnte. Kannst du dir vorstellen, wie diebisch er sich gefreut hat,
als er mir sagen konnte, dass ich nichts bekommen würde? ›Ich habe es Simone deutlich
gesagt: Die Riedl macht das große Glück, nicht die Friedl . Sie hätte
eben besser aufpassen müssen, und vor allem mit Anette reden, nicht mit dir.‹ Wie
ich ihn in diesem Augenblick gehasst habe!« Elfriede atmete tief durch. »Es hat
nicht lange gedauert. Er konnte sich nicht wehren. Er war gleich tot«, sagte sie
dann.
»Ich verachte
dich«, schluchzte Anette. Tränen standen in ihren Augen.
»Was glaubst
du, wie sehr ich dich verachte, Schätzchen?«, kam es mitleidlos von Elfriede. »Du
sollst jetzt das ganze Geld bekommen, auf das ich mich so gefreut habe? Ausgerechnet
du! Du kleines, vorlautes, besserwisserisches Stück! Aber du wirst es nicht kriegen!
Ich kann dich nämlich gar nicht am Leben lassen, nachdem ich dir alles erzählt habe.«
Anettes
Handy läutete noch einmal. In diesem Augenblick ergriff Elfriede Bachmann sie an
beiden Armen und schleuderte sie unsanft gegen einen Baum. Anette prallte mit dem
Kopf auf und fiel zu Boden. Sofort kniete Elfriede sich auf sie und bekam dadurch
ihre Hände frei. Sie nahm ein kleines Fläschchen und ein Tuch aus ihrer Handtasche.
»Du … hast
mich angerufen«, stöhnte Anette mit schwacher Stimme.
»Du liegst
wieder einmal richtig, Schätzchen. Du bist nämlich verdammt schwer einzufangen.
Also musste ich es mit diesem Trick versuchen. Das ist Psychologie: Wenn man
Weitere Kostenlose Bücher