Netha-Chrome
Sinn darin, jemanden mit verniedlichenden Namen anzureden. Außerdem ist es albern.“ Sie hob ihre Arme aus dem Wasser und strich sich dann durch ihre kurzen Haare. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich das Ritual des Badens tatsächlich genießen könnte.“
„Ich hoffe, du kriegst da drinnen keinen Kurzschluss“, bemerkte ich trocken. Sydney schloss die Augen und legte ihren Kopf in den Nacken.
„Wir KIs verfügen, genau wie ihr Menschen, über einen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb. Glaubst du wirklich, ich würde mich in eine Badewanne legen, wenn ich dadurch einen Kurzschluss bekäme?“ Sie öffnete die Augen, schaute mich an und fügte hinzu: „Und ich dachte, du wärst über das Niveau von flachen KI-Witzen inzwischen hinaus.“
„Nein, eigentlich nicht“, bemerkte ich achselzuckend. „Darf ich zu dir kommen?“
Sydney zog ihre Stirn kraus.
„Erst machst du Witze über mich und dann willst du zu mir in die Wanne kommen?“
„Ja“, lächelte ich. Ihr Kopf ging wieder zurück in die Lass-mich-in-Ruhe-Position.
„Das Volumen dieses Behältnisses ist nicht groß genug, um uns beide aufzunehmen. Noch dazu ist es exakt zu dreiviertel mit Wasser gefüllt. Dein zusätzliches Körpervolumen würde dazu führen, dass eine nicht unerhebliche Menge an Wasser übertritt.“
„Nette Erklärung, Frau Professor“, lachte ich und schälte mich wieder aus der Uniform hinaus. Sydney beobachtete mich dabei argwöhnisch.
„Du hörst anscheinend auf niemanden“, kommentierte sie meinen Striptease trocken.
„Nein. Nicht einmal auf dich, Schräubchen.“
Und schon stieg ich zu ihr in die Wanne. Kaum hatte ich mich ihr gegenüber gesetzt, schwappte Wasser über den Rand und verteilte sich auf dem Metallboden des Quartiers. Hoffentlich war das rostfreier Stahl.
„Blödmann“, knurrte Sydney und spreizte ihre Beine ein wenig, um mir platzzumachen. Wie einladend.
„Hattest du schon mal Sex in der Badewanne?“, fragte ich unverhohlen. Sydney knautschte ihre Lippen.
„Was denkst du wohl, mh? Bis vor kurzem hatte ich weder Sex, noch bin ich in einer Badewanne gewesen. Gut, den Sex habe ich bereits hinter mich gebracht…“
„Hinter dich gebracht?“, fragte ich mit gespielter Empörung. Sydney grinste.
„Eine Erfahrung, die ich gerne wiederholen würde, möchte ich betonen.“
Ich näherte mich ihr. Unsere Körper berührten sich, und das warme Wasser trug erheblich zu meiner Erregung bei.
„Dann werde ich dir helfen, weiterhin Erfahrung zu sammeln, was das angeht“, flüsterte ich und küsste sanft ihre Lippen. Sydney erwiderte meinen Kuss und schon versanken wir in einer nie gekannten Ekstase, wie man sie wohl nur beim Sex in der Badewanne erleben darf. Denn ich, das musste ich leider gestehen, hatte es zuvor auch noch nie in der Wanne getrieben.
Kapitel 16
Nachdem wir uns in der Wanne verausgabt hatten, machten wir in dem geräumigen und überraschend weichen Bett weiter. Wir vergaßen alles um uns herum und lebten nur in unserer eigenen Welt, in der nur Sydney und ich existierten. Ich, die KI und grenzenlose Geilheit. Vergessen waren die widrigen Umstände, die uns erst hierher geführt hatten.
Und dennoch blieb ein bitterer Gedanke, denn meine Sorge um Tijuana hingegen wollte nicht verschwinden. Ich war im Begriff, meine beste Freundin zu verlieren und vergnügte mich währenddessen mit einer anderen Frau. Tat ich das vielleicht nur, um zu vergessen, was mit Tijuana war? Was passierte, wenn ich Ti nicht würde helfen können? Wie ginge es weiter? Stünde ich ihr eines Tages auf dem Schlachtfeld gegenüber? Würden wir uns vielleicht gegenseitig töten müssen?
Sydney bekam von all meinen Gedanken indes nichts mit und war nach dem Sex schnell eingeschlafen. Dafür, dass KIs eigentlich kaum Schlaf benötigten, um ihre Energiezellen wieder aufzuladen, schlief sie im Moment relativ häufig. Anscheinend hatten ihre Konstrukteure ein geregeltes Sexleben nicht in die Berechnungen der Kapazität ihrer Energiezellen miteinbezogen. Sex verbrauchte ja auch bei uns Menschen erheblichen Mengen an Energie, wieso sollte das bei KIs dann anders sein?
Und so war ich ebenfalls schnell eingeschlafen. Wenn BAS nicht von sich aus so freundlich gewesen wäre, mich um viertel vor sechs zu wecken, hätte ich das Briefing wohl gnadenlos verpennt. Doch BAS hatte das Gespräch mit Stavanger aufmerksam verfolgt und selbsttätig den Wecker gestellt. Manchmal war der Bursche eben schlauer als ich.
Sydney
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