Netha-Chrome
bringen. Und zwar immer dann, wenn man vor lauter Lachen vom Stuhl fiel. Oder sonst irgendeinen Blödsinn anstellte, den man bei klarem Verstand niemals verzapft hätte.
Jemand klopfte Jules plötzlich von hinten auf die Schulter.
„Hey Süße!“ Jules drehte sich herum. Es war Nicki. Sehr gut. Sollte sie die Entscheidung treffen.
„Hey Schatz. Kippe oder Joint?“ Jules grinste und nickte in Richtung Raucherecke. Nickis stahlblaue Augen glitzerten und sie schaute ein wenig verwirrt, dann zogen sich zwei dünne, tätowierte Augenbrauen herunter.
„Mh, erst mal eine Kippe, würd ich sagen.“ Jules Mundwinkel zogen sich nach oben. Immer wenn Nicki kurz nachdachte, zog sie einen Schmollmund, der Jules zum Lachen brachte. Und jedes Mal ertappte sie sich selbst dabei, wie ihre Blicke an Nickis sinnlichen, blutroten Lippen klebenblieben. Sie hatte sich des Öfteren gefragt, wie es wohl wäre, sie zu küssen.
„Okay, überredet“, lächelte Jules und wollte gerade in die entsprechende Richtung starten, als Nicki sie am Arm hielt.
„Sag mal, kommst du morgen eigentlich auch?“
„Äh, was? Kommen?“ Jules zuckte lässig mit den Schultern und verdrehte verspielt die Augen. „Vielleicht, wenn ich Batterien für mein kleines Spielzeug finde…“ Nicki prustete.
„Du perverse Kuh“, lächelte sie und entblößte eine wunderschöne Zahnreihe, die durch eine kleine Lücke unterbrochen wurde. „Morgen schmeißt Gerome eine Poolparty. Sag nicht, du weißt davon nichts?“ Jules kniff die Lippen zusammen. Doch, sie wusste von der Party. Wie hätte sie das nicht wissen können? Jeder wusste das, sogar die verdammten Achtklässler wussten das. Nur wollte sie das eigentlich gar nicht wissen! Gerome veranstaltete jedes zweite Wochenende irgendwelche Motto-Partys im Haus seiner überreichen, versnobten Eltern. Und jedes Mal erklärte er sich dann auch für den Rest des Abends zum König der Currywurst. Das war nichts für Jules. Sie hatte öfters mal eine von Geromes Partys mitgemacht. Und sie hatte sich beim letzten Male geschworen, dass nie wieder über sich ergehen zu lassen.
„Ähm, nein. Glaube nicht.“
„Och komm schon. Das wird lustig.“ Nicki spielte mit einer Haarsträhne ihrer schulterlangen, blonden Haare herum und klimperte gespielt mit den Wimpern. Jules seufzte. Sie wusste manchmal gar nicht, was die beiden überhaupt zusammenhielt. Nicki war ein Girly, sie selbst war der Freak. Das passte irgendwie nicht. Sie war ein halber Dämon, Nicki ein Mensch. Der einzige Mensch, der Jules kleines Geheimnis kannte. Sie sprachen niemals darüber, jeder akzeptierte den anderen so, wie er war. Vielleicht lag das Geheimnis ihrer Freundschaft ja darin? Denn das weit verbreitete Sprichwort, das sich Gegensätze anziehen, passte zu den beiden Freundinnen wie die Faust aufs Auge. Nicki trug immer die teuersten Jeans, Oberteile und Handtaschen und besaß auch immer die neusten Handys. Sie ging mindestens einmal die Woche shoppen und gab dabei immer mehr Geld aus, als Jules und ihre Ziehmutter in einem ganzen Monat zur Verfügung hatten. So hatte Nicki sich heute natürlich auch wieder in ihre erst gestern errungenen Klamotten geworfen. Hellblaue Jeans für rund hundert Euro. Dunkelblaues Oberteil für achtzig Euro. Weiße High Heels für dreihundert Euro.
Jules hingegen wirkte dagegen wie eine abgetragene Jogginghose: Sie trug ihre Motorradstiefel, eine verwaschene, steingraue und knallengsitzende Jeans, ein schwarzes Tank Top, schwarzen Mascara, schwarzen Lippenstift, naturschwarze Haare im kurzen College-Style. Irgendwann hatte jemand aus ihrer Klasse Nicki und Jules mal als das Salander-Hilton-Duo bezeichnet, und diesen Spitznamen waren sie auch nicht mehr losgeworden. Jules setzte einen langgezogenen Seufzer auf.
„Also schön, aber nur dir zuliebe.“ Nickis Miene erhellte sich.
„Supi…“
„Was ist das Motto?“ Geromes Partys hatten immer ein Motto. Eines grausamer als das andere, wie Jules fand. Vor drei Wochen war das Motto Achtziger Jahre. Jules hatte sich sofort als erste an den liebevoll hergerichteten Cocktailstand gestellt und sich mit Tequila Sunrise volllaufen lassen, um die Musik, die ihre Gehörgänge malträtiert hatte, so schnell wie möglich ertragen zu können.
„Zweitausendzehner!“, quietschte Nicki wie ein aufgeregtes Kind und Jules verdrehte ihre smaragdgrünen Augen.
„Ah nee…Die Zweitausendzehner waren doch Schrott. Scheißmusik, Scheißklamotten…“
„Na, soviel
Weitere Kostenlose Bücher