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Netha-Chrome

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Titel: Netha-Chrome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janco Weiland
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zu befreien.“
    Ich hielt den Atem an und schaute zu Boden. Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir das alles. Alles was Washington sagte, fügte sich langsam zusammen und klang auch nicht mehr nach bloßer Spinnerei. Wir waren in dieser Geschichte die Bösen. Niemand sonst!
    Washington schien zu erkennen, dass ich langsam begriff. Das mir langsam klar wurde, was hier seit Jahren auf dem Mars ablief. Langsam legte er eine Hand auf meine Schulter.
    „Langsam beginnen Sie zu sehen, Arkansas.“ Ich schaute ihm in die Augen. Das hier war kein abgekartetes Spiel. Es war keine Falle und auch kein Versuch, uns zu täuschen. „Sie begreifen das alles hier, nicht wahr?“ Ich nickte langsam.
    „Ja, auch wenn ich noch nicht alles vollständig begriffen habe.“ Ich kniff die Augen zusammen und atmete tief ein. „Vielleicht will ich das alles auch gar nicht begreifen.“ Meine Blicke wanderten hilfesuchend zu Sydney.
    „Die Staatenallianz erwägt also allen Ernstes eine totale Mobilmachung, um den Mars vom Protektorat zu befreien?“, fragte die KI den Agenten vollkommen emotionslos.
    „Glauben Sie mir, die Allianz wäre genauso wie wir lieber an einer friedlichen Lösung interessiert“, antwortete Washington. „Aber sie wissen auch aus ihrer Vergangenheit, dass man ein vollkommen verblendetes Volk nicht einfach so zum Umdenken bewegen kann.“
    „So wie die Deutschen in der Hitler-Diktatur“, murmelte ich. Meine Kenntnisse um terranische Militärgeschichte erlaubten mir gerade, die ersten Parallelen zwischen dem, was hier geschah und den Ereignissen zu ziehen, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts zum bis dato größten Krieg in der Menschheitsgeschichte geführt hatten.
    Der Agent nickte. „Der Vergleich ist recht treffend“, bestätigte er. „Hitler hatte einst eine effektive Maschinerie aufgebaut, die ein ganzes Volk von der Richtigkeit seiner Vorgehensweise überzeugte. Und wer nicht daran glaubte, wurde eliminiert oder einfach solange eingeschüchtert, bis er es tat. Das, was hier auf dem Mars passiert, ist nichts anderes. Außer, dass es im Stream geschieht und wir es einfach nicht sehen konnten, weil es die Menschen in ihrem Unterbewusstsein manipuliert und nicht so offensichtlich, wie es frühere Herrscher auf Terra taten.“
    Ich schluckte hart und schüttelte immer wieder konsterniert den Kopf.
    „Wieso haben Sie mir das nicht alles schon viel früher erzählt, Washington?“, fragte ich dann leise. Und obwohl ich es nicht beabsichtigt hatte, klang es vorwurfsvoll. „Sie hätten Sydney und mir doch damals im Hotel schon alles erzählen können.“
    Der Agent schaute mich etwas entschuldigend mit seinen dunklen Augen an.
    „Das hätte keinen Sinn gemacht, Arkansas. Sie standen damals noch unter dem Einfluss des Mentha-Programmes. Sie hätten nichts von alledem geglaubt und am nächsten Tag alles wieder vergessen. So funktioniert dieses Programm. Es macht die Menschen blind für das Offensichtliche und lässt sie Gesehenes und Gehörtes vergessen. Es ist in der Lage, relevante Informationen aus dem Gedächtnis zu löschen. Aus diesem Grund hatte der systemweite Blackout wohl auch bei einigen Menschen eine mittelschwere Amnesie zur Folge. Wir wollten damit zu viel erreichen. Wir haben ein schnelles Allheilmittel gesucht und haben versagt. Es hat nicht funktioniert, und jetzt können wir die Invasion der Terraner wohl nicht mehr stoppen.“
    Omega trat einen Schritt an mich heran. „Wären wir erfolgreich gewesen und hätten das gesamte marsianische Volk zu einer erfolgreichen Revolte gegen das Regime geführt, gäbe es für die Terraner keinen Grund mehr, militärisch gegen den Mars und sein Volk vorzugehen.“
    Ich musste an die irdische Geschichte denken, genauer gesagt an die Weltkriegsoperation Overlord. Die Alliierten hatten am 6. Juni 1944 mit der Invasion der Normandie begonnen, um Europa von Hitler und seinen Armeen zu befreien, die zuvor den gesamten Kontinent mit einem schrecklichen Angriffskrieg überzogen hatten. Aber was hatten wir getan, dass wir befreit werden mussten? Gut, für mich lag es nun ebenfalls klar auf der Hand, dass es auf dem Mars niemals so weitergehen durfte. Die Manipulation unseres Volkes musste enden, die totalitäre Herrschaft des Protektorates musste enden. Doch weshalb sollten Hunderttausende dafür sterben müssen? Worin lag die Notwendigkeit eines Krieges, um dieses Ziel zu erreichen? Wir hatten niemanden angegriffen, wir hatten das Sonnensystem

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