Netha-Chrome
sie auf die Club-Gäste zu feuern. Ich warf mich flach auf den Boden und robbte hinter einen Felsvorsprung, von dem aus ich die gesamte Höhle im Blick hatte. Sydney postierte sich in gebückter Haltung schräg gegenüber und hielt die Waffe im Anschlag. Wieder peitschten Schüsse und hallten von den hohen Wänden wider, sodass es mir fast das Trommelfell zerriss. Einige Kugeln verirrten sich in unsere Richtung und durchschlugen das Glas zu unserem Raum. Millionen von Glassplittern flogen umher und überschütteten Sydney und mich. Ich riss meinen Mantel hoch, um mich vor den scharfen Splittern zu schützen, und auch die KI rollte sich zusammen wie ein Igel. Washington und Toluca nahmen hinter dem Tisch mit den Getränken Deckung.
Ich presste mich nah an die Wand und gab Washington ein Zeichen, er solle sich eine gute Schussposition suchen. Er streckte seinen Daumen in die Luft und postierte sich mir gegenüber, um aus dem entstandenen Loch in der Wand zu schießen, das die zersprengte Scheibe hinterlassen hatte.
Meine Blicke suchten das Chaos in der Höhle ab. Die Soldaten hatten bereits die meisten Lichtquellen zerschossen, um sich einen Vorteil durch ihre ausgerüsteten Nachtsichtmodi zu verschaffen. Zahlreiche Mündungsfeuer zuckten durch die Dunkelheit, Schreie erklangen. Auch wenn ich immer noch nicht über eine Nachtsichtfähigkeit verfügte, so konnte ich doch genug erkennen. Die eingedrungenen Soldaten waren Duster in ihren typischen staubroten Tarnanzügen. Ich schluckte schwer und richtete den Lauf meiner Waffe aus. Ich war im Begriff auf meine eigenen Leute zu feuern. Ich wollte es nicht, aber ich musste es! Ich hatte keine andere Wahl.
Aber ich zögerte.
Als ein verirrtes Geschoss direkt neben mir in die poröse Höhlenwand schlug und mir Staub und Dreck ins Gesicht schleuderte, zuckte ich zurück. Sydney hatte sich währenddessen ebenfalls flach auf den Boden gelegt und die Soldaten ins Visier genommen.
„Sydney! Das sind meine Leute!“, rief ich ihr zu.
Die KI schüttelte den Kopf. „Jetzt nicht mehr!“
Sie schaute mit düsterer Miene zu mir herüber. Ihre Blicke durchbohrten mich und sollten mir wohl klarmachen, dass ich kein Duster mehr war. Als ob ich das nicht gewusst hätte.
„Ich kann nicht auf meine Leute schießen!“, sagte ich wie in Trance, als die nächsten Einschläge neben mir die Wand zersplittern ließen.
„Wollen Sie hier draufgehen, Soldat?“, rief Sydney, während sie die ersten Schüsse auf die Duster abgab. Ich kniff die Lippen zusammen und ballte die Faust um den Griff der Waffe.
„Wir…wir müssen hier raus“, sagte ich leise, aber immer noch laut genug, dass Sydney es durch den Waffenlärm hören konnte.
„Washington?“, rief sie dem Agenten zu, der just in diesem Augenblick seine tödlichen Strahlen auf die Soldaten abfeuerte. „Gibt es hier noch weitere Ausgänge?“
„Es gibt einen geheimen Tunnel auf der anderen Seite der Höhle“, beantwortete Toluca die Frage. Der Regulat hatte sich unter den Tisch verkrochen und kämpfte gerade mehr mit sich selbst und seiner Todesangst, die ihn lähmte. Er hatte seine Knie angezogen, hielt sie krampfhaft fest und starrte nur geradeaus. Seine Gesichtszüge waren wie Stein. Im Krieg hatte ich dies schon öfters gesehen. Wenn die Angst lähmte, zogen sich sämtliche Muskeln zusammen, man bekam das Gefühl, wie versteinert zu sein und sich nicht mehr bewegen zu können. Das Gehirn befahl einem, still zu stehen und sich keinesfalls zu bewegen, um zu überleben. So einen Reflex konnte man nicht abstellen. Er überkam einen und ließ nicht mehr los. Die Tapfersten der Tapferen hatte ich schon so erlebt, als um sie herum die Hölle losgebrochen war.
Und auch ich musste nun meinen ganzen Mut zusammennehmen, um meine Deckung zu verlassen und zu Toluca zu robben. Kugeln pfiffen über mich hinweg und ich hörte Sydney rufen, was zum Teufel ich denn machte.
„Feuern Sie weiter!“, befahl ich der KI, obwohl ich ihr viel lieber gesagt hätte, dass sie weglaufen und sich nicht mehr herumdrehen sollte. Ich wollte sie unbedingt in Sicherheit wissen. Aber ich musste den Gedanken an ihre mögliche Zerstörung beiseite wischen. Ich durfte mich in dieser Situation nicht von meinen Gefühlen ablenken und verwirren lassen.
Ich kroch zu Toluca und packte ihn am Arm. „Hey, Regulat! Aufwachen! Wir müssen hier raus!“ Der Hacker zitterte am ganzen Körper, kreidebleich und kaum fähig, mich anzuschauen.
„Ich…kann nicht“,
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