Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
Merkel, einfach stehen ließ, weil er an sein klingelndes Handy gehen musste.
Die Leute, in denen man lesen kann wie in einem aufgeschlagenen Buch, sind auch nicht unbedingt charmant, also Menschen, die von allen durchschaut werden mit einer einzigen Ausnahme – von sich selbst. Wie Guido Westerwelle etwa, der jedes politische Amt dazu missbraucht, seinen Geltungsdrang zu befriedigen, und stets hofft, dass dies keiner merkt. Wiglaf Droste nennt diese Art von Fehleinschätzung in seinem Stern -Fazit von 100 Tagen Schwarz-Gelb das Scharping-Syndrom: »Rudolf Scharping, der Mann, der dachte, er sei unglaublich schnell und rasend intelligent. Dabei sahen alle anderen einen sehr langsamen, schwerfälligen Denker.«
Scharping – das darf auf keinen Fall passieren, denn dann ist aller Charme dahin.
Authentischer als andere Menschen zu sein, bedarf einer hohen emotionalen Intelligenz. Es ist alles andere als einfach, in dem in fast allen menschlichen Seelen tobenden Gedanken- und Gefühlschaos die wichtigsten, oft widersprüchlichen Bedürfnisse auszumachen. Selten wendet jemand die Zeit dafür auf, die seltsamen Gedanken zu hinterfragen, die sich unablässig in unserem Kopf formieren. (Und die nach der Auffassung von Erleuchteten, Weisen, Zen-Meistern unser falsches Selbst ausmachen.) Wir drängen sie lieber weg, denn wir können sie im Alltag, im Beruf und meistens auch in unseren Beziehungen nicht brauchen: Widerwillen, Überdruss, Wut, Eifersucht, Langeweile, Rachefantasien, unrealistische Wunschträume stören nur unseren Tagesablauf. Aber sie sind unerlässlich, um charmant zu sein!
Dr. Jürgen Stepien
»Die meisten Menschen versuchen, andere für sich zu gewinnen, indem sie sich aufblasen, sich größer, toller, erfolgreicher machen, als sie sind. Sie wollen zeigen, was für ein begabter und kluger Mensch sie sind und was sie alles im Leben schon erreicht haben. Sie übersehen, dass sie sich damit von den anderen abgrenzen. Ein Charmeur aber zeigt sich, wie er wirklich ist, wie klein und schwach, wie lächerlich und bedürftig. Er breitet sozusagen seinen Mantel aus, legt ihn seinem Gesprächspartner um die Schultern und lädt ihn ein, sich ebenfalls so zu geben, wie er sich gerade fühlt. Und nur das schafft diese wunderbare Vertrautheit, nach der wir uns doch alle sehnen.«
Beschäftigen Sie sich mit Ihren seltsamen Gedanken und ungewollten Gefühlen –
denn sie sind der Schlüssel zu der Seele
Ihres Gegenübers.
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Noch schwieriger ist es, über das, was andere nicht einmal zu denken oder zu fühlen wagen, zu sprechen. In schlichten Worten ausdrücken, was gesellschaftlich nicht anerkannt ist, was allgemein als peinlich, dumm oder kindisch gilt, das können nur wenige Leute. Dabei wird das Gespräch doch genau dann erst interessant. Und das ist der Joker, den ein charmanter Mensch stets im richtigen Augenblick aus der Tasche zieht, denn mit Höflichkeiten gibt er sich nicht zufrieden, mit Allgemeinplätzen hält er sich nicht auf.
Er oder sie teilt zum Beispiel gleich zu Beginn einer Abendeinladung sämtlichen Gästen mit, dass er furchtbar schlecht gelaunt ist, weil heute alles schiefgegangen ist, was nur schiefgehen konnte. Beim Essen entzückt er dann sein Gegenüber mit der Schilderung der einzelnen Malheurs. Oder er spricht auf einer Messe mit einem wichtigen Kunden nicht über Fachliches, sondern darüber, welche Probleme zu enge Schuhe bei einer solchen Gelegenheit mit sich bringen. Vielleicht lästert er sogar über seinen Chef oder gleich über die ganze Branche. Alles Dinge, die man in einem solchen Rahmen eigentlich nicht machen sollte.
Gerade seine Kleinheit, Schlechtigkeit
und sein Unvermögen sind das größte
Potenzial des Charmeurs –
das macht ihn unwiderstehlich.
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Der Charmante weiß genau, dass er damit vom allgemein herrschenden Verhaltenskanon abweicht, aber er nimmt sich das Recht heraus, selbst zu entscheiden, ob ein Verhalten richtig oder falsch, angemessen oder unmöglich ist. Was er dann letztendlich sagt und tut, ist gleichgültig – die Tatsache, dass er dabei sein Innenleben preisgibt, schützt ihn vor allzu viel Kritik.
Daher ist Vorsicht geboten: Wer das Verhalten charmanter Menschen kopieren möchte, um denselben gesellschaftlichen Erfolg zu erzielen, doch sein Innenleben nicht offenbaren will, wird scheitern. Unsere Mitmenschen haben ein sehr feines Gespür dafür, ob das Gespräch über Sex während der Geburtstagsfeier einer Großtante
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