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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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freundlichen
Grinsens. Ein vertrautes ungutes Gefühl beschlich mich, als ich den Gang
entlangging und meinen Mantel und meine Tasche in meinem Büro ablegte.
    Um das Gefühl zu vertreiben, ging ich
den schmalen Gang entlang weiter zum Büro meines Chefs, Hank Zahn. Aber die Tür
war verschlossen und ein Schild ›Bitte nicht stören‹ hing an der Klinke. Ich
starrte es an, überlegte, ob ich es beiseiteschieben sollte, ging dann aber
statt dessen den ganzen Weg bis auf die Rückseite des Hauses in die große
Küche. Niemand war hier, nichts war zu sehen von den üblichen ungespülten
Kaffeetassen und Tellern, die sonst auf den Tischen herumstanden. Aus dem
dumpfen Gefühl wurde im Handumdrehen eine Depression.
    Ich trat zum Kühlschrank und schaute
hinein. Ein paar Flaschen Calistoga Wasser, eine schlaffe Selleriestange und
eine verhutzelte Zitrone. Kein Wein, keine großen Töpfe mit Hanks berühmtem
Stew, nicht einmal die Körner, die die Naturköstler unserer Gemeinde heiß und
innig liebten. Ich schloß die Kühlschranktür und lehnte mich aufseufzend
dagegen.
    Die Atmosphäre bei All Souls hatte sich
in den letzten paar Monaten verändert. War sie früher warm, freundlich,
umgänglich und lässig gewesen, so war sie jetzt kalt und angespannt. Jetzt
nahmen die Leute hier nicht mehr ihre Mahlzeiten ein oder organisierten
improvisierte Parties; ein paar von den Anwälten, die im zweiten Stock gewohnt
hatten, waren ausgezogen. Es gab Konferenzen hinter geschlossenen Türen, und
immer wieder stieß ich auf Leute, die an den merkwürdigsten Orten in heimliche
Diskussionen vertieft waren.
    Ich hatte meine Vermutung darüber, was
hier nicht stimmte, und ich hätte gern mit jemandem darüber gesprochen. Aber
Hank, mein bester Freund in der Firma, schien sich vor allem und jedem zu
verstecken — mich eingeschlossen. Meine gute Freundin, Anne-Marie Altman, eine
Steueranwältin, gehörte zu denen, die ausgezogen waren, und so sah ich sie
seltener als früher. Und wenn wir uns trafen, sprachen wir nicht über die
Arbeit.
    Ich trat den Rückweg in mein Büro an,
überlegte, ob ich Anne-Marie anrufen sollte, entschied mich aber dagegen. Sie
war schon bei All Souls gewesen, ehe ich eingestellt wurde, und als Partner
wußte sie sicher, was los war. Aber sie war auch sehr verschlossen. Ich hatte
Jahre gebraucht, bis ich sie näher kennenlernte, und dann auch nur, weil wir
eine gemeinsame Liebe zu Horrorfilmen in der Spätvorstellung feststellten. Wenn
Anne-Marie es nicht für richtig gehalten hatte, die Angelegenheit mit mir zu
besprechen, dann wußte sie entweder nicht viel, oder sie wollte nicht darüber
reden. Ich würde eben einfach warten müssen, bis Hank seine selbstgewählte
Isolation verließ oder bis eine offizielle Erklärung abgegeben wurde.
    Ich ging in mein Büro und schaute meine
eingegangene Post durch. Ich fand zwei Nachrichten, eine von dem Mann, der das
Badezimmer in meinem Haus umbaute, die andere von Don. Ich versuchte es mit
meiner Privatnummer und erhielt das Besetztzeichen; was machte der Arbeiter an
meinem Telefon, wenn er doch die Dusche anbringen sollte? Ich legte auf, griff
nach meinem Telefonverzeichnis und schlug die Nummer des Polizei-Departments
Gang Task Force nach. Ich wählte, aber mein Verbindungsmann dort, Inspektor
Richard Loo, hatte frei. Ich hinterließ die Nachricht, er sollte mich am
nächsten Morgen anrufen.
    Als nächstes rief ich im San
Francisco Chronicle an und fragte nach dem Reporter, den ich dort kannte,
J. D. Smith. Auch J. D. war bereits gegangen. Ich sagte zu dem Mann, der das
Telefon abgenommen hatte: »Vielleicht können Sie mir helfen. Ich versuche
herauszufinden, wer das Interview mit Otis Knox geschrieben hat, das vor ein
paar Monaten bei Ihnen erschienen ist.«
    »Ich glaube, das war Jeff Ellis.«
    »Ist er da?«
    »Nee. Ist auch schon weg.«
    Ich hinterließ eine Nachricht für]. D.
oder Jeff Ellis, mich zurückzurufen, wenn sie Zeit hatten.
    Als nächstes wählte ich die Nummer von
Carolyn Bui. Sie war in ihrem Büro. Ich berichtete kurz, was ich den
ganzen Tag über getan hatte, und wir verabredeten uns für zehn Uhr dreißig im
Globe Hotel.
    Schließlich rief ich Don bei KSUN an.
Wenigstens konnte ich sicher sein, daß er greifbar sein würde; er war bis sechs
Uhr auf Sendung. Aber wie der Zufall so spielt, konnte er das Gespräch nicht
sofort entgegennehmen, weil er gerade ein paar Werbetexte vorlas. Ich stellte
das Transistor-Radio an, das ich im Büro hatte, und

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