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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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und brauchte außerdem einen Plan für den Betrieb des
Brenners.
    Ich schickte mich an, die Treppe
hinunterzugehen. Meine Hand lag auf dem Metallgeländer. Als ich auf halbem Wege
zum Absatz war, hörte ich ein Klicken, und dann hörte der Ofen auf zu arbeiten.
Scheinbar lief er über einen Thermostat und schaltete sich ab, wenn die Luft um
ihn die optimale Temperatur erreicht hatte, wie hoch die auch immer sein
mochte. Diese Tatsache machte leider meine neue Theorie zunichte. Trotzdem wäre
es eine gute Idee, zu versuchen, die Zeiten der verschiedenen Vorfälle zu
bestimmen und dann die Nachbarschaft durchzukämmen und zu fragen, ob irgend
jemand einen Fremden gesehen hatte, der das Hotel betrat.
    Da wäre also wieder eine falsche
Theorie, dachte ich, als ich um die Ecke bog. Warum war ich so sicher, daß der
Täter ein Fremder war? Vielleicht war es jemand, der hier im Hotel wohnte. Die
Bewohner schienen zwar freundlich, aber das war bei All Souls auch einmal so gewesen.
Das Problem im Globe konnte ohne weiteres intern sein.
    Im Keller war es jetzt ganz still,
abgesehen von den leisen, klingenden Geräuschen, die das erkaltende Metall von
sich gab. Der Ofen kauerte im Schatten vor mir, das orangefarbene Flackern
seiner Zündflamme war durch den Grill dicht über dem Boden sichtbar. Die Flamme
lenkte meinen Blick nach unten, und ich sah eine flüssige Spur, die über den
leicht geschwungenen Boden zur Außenwand verlief. Heute morgen war sie noch
nicht da gewesen...
    Und dann blieb ich stehen, meine Sinne
waren geschärft, so wie vorher auf der Straße. Die Flüssigkeit war dick und
dunkel, und sie kam von links, wo der schwerfällige Boiler auf seinen absurd
dünnen Beinen stand. Unter dem bauchigen weißen Rund ragten andere Beine hervor
- in Jeans, in den Knien gebeugt, die Füße steckten in Tennisschuhen.
    Es war ein Mann, der dort lag, am
Anfang dieser dunklen, flüssigen Spur.
    Ich holte tief Luft und eilte zu ihm.
Er lag zusammengekrümmt auf der Seite, die Arme über den Kopf ausgestreckt.
Eine Wange war flach an den Boden gepreßt, und ein größer werdender Fleck
breitete sich um sie aus. Er war ein Orientale, ungefähr im Alter von Duc Vang,
vielleicht etwas jünger.
    Ich kniete schnell neben ihm nieder und
betastete seinen Nacken. Das Fleisch war warm und geschmeidig, aber ich konnte
keinen Puls von der großen Arterie ausmachen. Ich fuhr mit den Fingern entlang,
hoffte, der Puls war nur so schwach, daß ich ihn nicht hatte fühlen können.
Nichts. Ich beugte mich vor und betrachtete seinen Schädel. Er war eingedrückt,
ein paar weiße Knochensplitter waren durch die Schädeldecke sichtbar.
    Ich fuhr zurück, schwankte auf den
Absätzen und kippte dann in eine sitzende Position. Mein Atem ging stoßweise.
Das war mir schon früher passiert, in der Gegenwart anderer Toter, an anderen
Orten. Die Hyperventilation brachte Schwindel mit, und ich zwang meinen Kopf
nach vorn, atmete konzentriert langsamer. Dies passierte mir immer öfter, wenn
ich sah, daß jemand ein Menschenleben achtlos beiseite geworfen hatte, wie
Abfall...
    Einen Augenblick später richtete ich
mich wieder auf. Mir war kalt, und der Geruch nach Tod, stechend und
faulig-süß, umgab mich von allen Seiten. Seltsam, daß ich es nicht vorher
bemerkt hatte.
    Aber der Geruch war auch wirklich nicht
stark. Und ich hatte ihn nicht erwartet. Statt dessen hatte ich... ja, wonach
gesucht? O ja, nach einem Versteck.
    Ich überflog den Raum um mich her.
Niemand versteckte sich hinter dem Ofen oder lauerte am Ende der
Vorratsschränke. Ich betrachtete suchend den Betonboden, hielt Ausschau nach
einer Waffe. Da war nichts — kein Rohr, kein Holzstück, kein Werkzeug — nichts,
das die Verletzung am Kopf dieses Mannes hätte anrichten können.
    Der Brenner sprang mit lautem Rumpeln
wieder an. Mein Kopf fuhr herum, dann sprang ich auf, stolperte über die
Papiertüte, die ich getragen hatte. Ich riß sie hoch, lief zur Treppe und warf
noch einen letzten Blick auf den toten Mann. Ich konnte jetzt nichts mehr für
ihn tun. Nichts, als die Polizei rufen.
    Meine Beine fühlten sich kalt und
schwer an, als ich die Treppe hinaufstieg und in die Halle ging. Sollte ich an
eine dieser Türen klopfen? überlegte ich. Nein, ich durfte die Hausbewohner
nicht beunruhigen. Die Halle — da gab es einen Münzfernsprecher.
    Ich rannte den Flur entlang und in die
Eingangshalle. Carolyn Bui stand an der Rezeption und betrachtete den
Weihnachtsbaum. Sie drehte sich um,

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