Nette Nachbarn
kleines bißchen.
Auf jeden Fall hat einer der Jungs, lange nach der ersten Bestellung,
beschlossen, in den Pool zu springen.«
»Aha!« Das Schwimmen im Pool des Blue
Lagoon war strengstens verboten, und schon ein Schritt in seine Richtung war
Grund genug, nicht mehr bedient zu werden.
»Ja. Das wäre ja nicht so schlimm
gewesen, aber er beschloß, Tony mitzunehmen.« Tony Wilbur ist KSUNs
Programmdirektor und Dons Chef. »Dann fand ein anderer von ihnen, daß es eine
solche Orgie wäre, daß er auch hineinsprang — und einen Kellner mitnahm.
Alles geriet außer Kontrolle, und es dauerte nicht lange, da bevölkerten
zwanzig Leute den Pool, und die Polizei kam.«
»Wo warst du die ganze Zeit über?«
»Hab’ mich unter dem Tisch versteckt.«
Ich grinste, als ich mir Don
vorstellte, wie er vorsichtig durch das weißlackierte eiserne Filigran
blinzelte. »Und dann?«
»Die Bullen haben alle verhaftet, die
im Wasser waren, und ich mußte zum Revier Potrero gehen und die Sache in
Ordnung bringen. Diese alten Knaben haben ja vielleicht so manche Nacht im
Knast verbracht, aber Tony nicht. Außerdem hätte es für KSUN nicht gut
ausgesehen, wenn ich sie drin gelassen hätte. Die Pflicht rief also, und ich
ging hin, und schließlich gelang es mir auch, alles in Ordnung zu bringen. Ende
der Geschichte.«
»Ich weiß nicht, warum es so lange
gedauert hat, bis du sie frei bekommen hast. Hat Euer Sender denn keinen Anwalt
oder PR-Menschen, die für solche Sachen zuständig sind?«
Don verdrehte die Augen. »Schon, aber
unser Anwalt war nicht greifbar, als ich ihn angerufen habe. Und der PR-Mensch
war einer der Knaben im Gefängnis.«
»Oh.« Ich starrte auf meine
ungegessenen Eier.
»Du lachst gar nicht«, bemerkte Don.
»Und essen tust du auch nicht.«
»Ich habe auch keinen Hunger.«
»Was ist denn los? Wieso bist du
überhaupt hier? Du hast mir gestern abend gesagt, du wolltest daheim schlafen,
damit du heute morgen früh anfangen kannst.«
»Stimmt, wollte ich auch. Aber da ist
etwas dazwischen gekommen, und so beschloß ich, daß es besser wäre, nicht
allein zu sein.«
Er beugte sich vor, zog die buschigen
Brauen zusammen. »Was ist passiert?«
Ich legte meine Gabel hin und erzählte
ihm von dem Mord im Globe Hotel.
Als ich fertig war, schwieg Don einen
Monent und strich sich über den Bart. »Tut mir leid, daß ich nicht für dich da
war, Schatz«, sagte er schließlich. »Weißt du, neben deinem Job wirkt meiner
manchmal so verdammt oberflächlich.«
»Brauchst kein schlechtes Gewissen zu
haben. Gerade jetzt könnte ich ganz gut ein bißchen Frivolität vertragen.« Und
weil er gar so niedergeschlagen aussah, fügte ich noch hinzu: »Außerdem sind
nicht alle Sendungen, die du machst, oberflächlich. Was ist zum Beispiel mit ›one-in-four‹?«
Das war die ernste Sendung, die Don jeden Monat machte; er pickte sich ein
Thema heraus, das in der Stadt besonders eingeschlagen hatte, und brachte Leute
ins Studio, die darüber diskutierten. Die Sendung war live, man konnte ihn
anrufen, und häufig provozierte er einen ziemlichen Streit.
»›One-in-four‹ ist nicht genug.«
»Laß den Kopf nicht hängen; es ist ein
Anfang.« Ich schob meinen Teller zurück und stand auf. »Ich ruf’ dich später
an, okay?«
»Klar.« Auch er stand auf, den Blick
auf mein Gesicht geheftet. »Sei vorsichtig, ja?«
»Hör mal, es ist heller Tag, und die
Sonne scheint — was könnte mir da passieren? Wie eine Dame im Globe Hotel so
gern sagt, ›Es gibt nichts, wovor man Angst haben muß.‹«
Don runzelte wieder die Stirn. Ich
konnte sehen, daß ihm der bittere Unterton in meiner Stimme nicht gefiel. Mir
übrigens auch nicht.
Inspektor Richard Loo war ein schlanker
Chinese, der so um die Vierzig sein mußte. In seinem korrekten blauen Nadelstreifen-Anzug
und mit der Goldrandbrille sah er mehr aus wie ein Bankier als wie ein Bulle.
Er war bei der Gang Task Force von San Franciscos Police Department, seit sie
in den siebziger Jahren als Reaktion auf die Gewalttätigkeit der Jugendlichen
in Chinatown gegründet worden war, und er war als Autorität bekannt, wenn es um
irgendeine Art von Gang ging — Orientalen, Schwarze, Kaukasier. Als ich Loo in
seinem kleinen Büro im Revier an seinem Schreibtisch gegenübersaß, konnte ich
die scharfe Intelligenz in seinen bebrillten Augen sehen und seine Härte
fühlen.
Nachdem ich Don verlassen hatte, war
ich heimgefahren, um den Handwerker einzulassen, den Kater zu füttern
Weitere Kostenlose Bücher