Nette Nachbarn
Licht verwunschene
Schatten warfen.
Das Dorf gruppierte sich um einen
eckigen Platz. Auf einer Seite der Straße sah ich eine weiße Landkapelle mit
rotem Dach und Turm, und direkt vor mir befand sich eine Gruppe von Gebäuden,
die die Post und ein Restaurant beherbergten. Die Post wäre inzwischen wohl
geschlossen, aber vielleicht konnte mir jemand im Restaurant erzählen, wo ich
Otis Knox’ Ranch finden konnte.
Ich hatte den Wagen bereits auf dem
Parkplatz abgestellt, als ich bemerkte, daß das Haus verlassen schien. Es gab
sonst keine Autos, und die einzige Beleuchtung bestand in einem roten
Blinklicht auf dem Haus der freiwilligen Feuerwehr am anderen Ende der Straße.
Entweder war das Restaurant für immer geschlossen oder aber über die
Winterzeit, wenn nur wenige Leute Lust hatten, einen Ausflug in die Hügel von
West Marin zu unternehmen. Ich legte den Rückwärtsgang ein, setzte zurück und
fuhr weiter um den verlassenen Platz herum.
Auf der dritten Seite standen ein paar
Häuser, ein Immobilienbüro, ein Antiquitätengeschäft und ein altes, buckliges
Haus mit dem Namen ›Druiden-Halle‹. Alle Geschäfte waren dunkel und
geschlossen. Ein paar Meter weiter machte die Straße vor einem Haus mit großen
Bäumen und einem weißen Pfahlzaun einen scharfen Knick. Als ich bremste und um
die Kurve fuhr, überlegte ich, daß schon ein Mensch dazu gehörte, der mutiger
war als ich, um hier zu leben, wo die Scheinwerfer von jedem Wagen über die
Fenster auf der Vorderseite des Hauses huschten und wo ständig die Möglichkeit
bestand, daß jemand die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und in meinem
Wohnzimmer landete.
Am Ende der Biegung fand ich mich
wieder auf der Nicasio Valley Road, auf der ich in den Ort hineingekommen war.
Ich hielt an, beschloß dann, in einem der Häuser auf der anderen Seite des
Platzes Fragen zu stellen. Ich bog nach links ab und fuhr noch einmal den Platz
entlang, vorbei an der alten Kirche bis zu der Kreuzung in der Nähe der Post.
Ich wollte gerade wieder wenden, als ich Scheinwerfer bemerkte, die auf mich
zukamen. Ein schlammbespritzter weißer Lieferwagen bog auf den Parkplatz vor
der Post ein, und ein Mann stieg aus, der ein paar Briefe in der Hand hielt.
Als er sich vom Briefkasten abwandte,
hatte ich bereits neben dem Lieferwagen geparkt und war ausgestiegen. Er war
ein großer, bärtiger Mann in Arbeitskleidung und schweren Stiefeln, und er
blieb stehen und beschattete mit der Hand seine Augen gegen das helle Licht
meiner Scheinwerfer. Ich ging zu ihm hinüber, hielt meine Jacke bei der
unerwarteten Kälte fest zusammen.
»Kann ich Ihnen helfen, Lady?« Der Mann
sprach mit leichtem Akzent des Landbewohners.
»Ich hoffe doch. Ich versuche eine
Ranch hier in der Nähe zu finden; sie gehört einem Mann namens Otis Knox.«
»Knox? Nie gehört. Macht er in Vieh
oder in Pferden?«
»Pferde, glaube ich.«
Der Mann dachte darüber nach. Dann
sagte er: »Ich züchte selbst Araber, und ich kenne keinen Knox. Ist es ‘ne
große Ranch?«
»Wahrscheinlich nicht allzu groß.«
Wieder überlegte er, schüttelte dann
den Kopf. »Klingelt nichts bei mir. Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen
kann.«
Insgeheim schalt ich mich selbst, weil
ich mit so wenig Informationen hierhergekommen war. Natürlich würde Otis Knox,
der Pornokönig, seine Gegenwart in diesem konservativen Farmland nicht an die
große Glocke hängen. Trotzdem, jeder, der so exzentrisch war wie er, mußte doch
Aufmerksamkeit erregen...
»Moment mal«, hielt ich den Mann
zurück. »Die Ranch ist ein bißchen merkwürdig. Der Mann sammelt Sachen. Er hat
ein paar goldene Bögen von McDonald — «
»Ach so, klar, die Ranch. Die
Leute nennen sie Junk Food West. Der Kerl ist so ‘n verrückter Millionär,
Filmproduzent, heißt es. Ist gern ungestört. Otis Knox heißt der?«
»Ja. Können Sie mir sagen, wie ich
dorthin komme?«
»Klar doch.« Er führte mich um seinen
Lieferwagen herum und zeigte auf den Weg, auf dem er gekommen war. »Sie folgen
der Nicasio Valley Road bis zur Gabel; ist nur ‘n kurzes Stück. Halten Sie sich
links, auf der Lucas Valley Road, ungefähr ‘ne halbe Meile. Das Haus ist
rechts, gleich hinter ‘ner Holzbrücke. Sie können die Bögen durch die Bäume
sehen.«
Ich bedankte mich, stieg in meinen
Wagen und fuhr, wie er mich dirigiert hatte. Die Lucas Valley Road war leicht
zu finden, aber auf der gegenüberliegenden Seite eines kleinen Baches gab es
eine ganze Reihe von Häusern,
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