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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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weiß, daß ich meine Heiterkeit unterdrücken sollte, es
aber nicht kann, bringe ich die peinlichsten Töne hervor, die an ein Schwein
erinnern, das in seinem Trog wühlt. Ich hatte bei Hank schon oft Unbehagen
erzeugt, wenn ich das tat, aber jetzt endlich schien er diesen Impuls zu
verstehen.
    »Fahr den Wagen fort!« schrie Gilbert.
»Du fährst den Wagen auf der Stelle fort!«
    »Tut mir leid, Gilbert.«
    »Die Polizei, ich rufe 911 an!«
    »Die Nummer, die man anrufen muß, wenn
man einen Wagen abschleppen lassen möchte, ist 553-1631, Gilbert.«
    Die Tür fiel knallend hinter Gilbert
zu.
    Es dauerte eine Weile, bis Hank sich
wieder unter Kontrolle hatte. Als es ihm schließlich gelungen war, sagte er:
»Machst du dir keine Gedanken wegen deines Wagens?«
    »Nee. Es ist fast vier, da fangen sie
an, die Abschleppzonen zu räumen. Es dauert mindestens eine Stunde, bis sie
überhaupt einen Polizisten hier heraus bekommen.«
    Hank nahm seine Brille ab und wischte
sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. »Jesus, der Kerl bringt dich wirklich
in Kampfstimmung, was?«
    »Dich nicht?«
    »Doch.« Über den Schreibtisch hinweg
grinste er mich an, und wieder spürte ich die Kameradschaft, die wir immer
empfunden hatten — Chef und Angestellte, aber wichtiger noch, Freund und
Freundin. So war es zwischen uns seit Jahren gewesen; so war es auch allgemein
bei All Souls gewesen.
    »Ich habe seit geraumer Zeit keinen
wirklich guten Kampf mehr mit irgend jemandem geführt«, erzählte Hank. »Um die
Wahrheit zu sagen, ich freue mich schon auf den, der uns bevorsteht.«
     
     
     

ZWÖLFTES
KAPITEL
     
    Als ich den Flur entlang zu meinem Büro
ging, war von Gilbert nirgendwo etwas zu sehen, aber Ted saß an seinem
Schreibtisch und tippte mit einer Munterkeit, die ich seit Monaten nicht mehr
bei ihm gesehen hatte. Er winkte mir und erzählte: »Bugs Bunny hat telefoniert,
damit dein Wagen abgeschleppt wird.«
    »Ich dachte mir schon, daß er das tun
würde.«
    »Als er hinausgestürmt ist, um auf die
Bullen zu warten, habe ich den Auftrag storniert.«
    »Danke, Ted. Dafür schulde ich dir ein
Bier.«
    »War mir ein Vergnügen.«
    Er machte sich wieder ans Tippen, und
ich ging in mein Büro und rief bei mir daheim an, um Barry zu überprüfen. Er
war dort gewesen und hatte darauf gewartet, eingelassen zu werden, als ich
heute morgen nach Hause gekommen war, um mich umzuziehen. Jetzt ging niemand
ans Telefon. Vielleicht war er zu beschäftigt, um zu antworten, redete ich mir
ein. Aber ich mußte zugeben, daß das nicht gerade nach Barry klang. Als
nächstes rief ich Carolyn Bui an. Sie saß immer noch in der Besprechung mit dem
Vorstand, wurde mir von ihrer Sekretärin mitgeteilt. Ich legte den Hörer auf
und ließ mich in meinen alten Sessel fallen, dachte darüber nach, daß ich nicht
die einzige war, die Probleme am Arbeitsplatz hatte.
    Mein Arbeitsplatz. Ich sah mich in dem
winzigen Kämmerchen um, mit der scharf abfallenden Deckenschräge und den
blaßgelben Wänden, die mit keiner noch so großen Menge von Dekorationsmitteln
attraktiv gemacht werden konnten. Dieses Büro war wirklich nicht mehr als ein
umgebauter Schrank; mein Gehalt war enttäuschend niedrig; es gab nur wenige
Zusatzvergünstigungen. Wenn Gilberts Clique beim Kampf um die Herrschaft in All
Souls gewinnen und ich meinen Arbeitsplatz verlieren sollte, konnte ich für eine
der großen Detekteien in der Stadt arbeiten. Ich hatte einen gewissen Ruf, und —
auch wenn es unter anderem hieß, ich wäre unorthodox und würde mich keiner
Autorität unterwerfen — ich wußte, daß es einige Stellen gab, wo ich nach
meinen eigenen Methoden arbeiten konnte. Was hatte ich schon zu verlieren?
Einen Schrank als Büro und einen Lohnzettel, der sich nie weit genug strecken
ließ.
    Moment mal, warnte mich eine innere
Stimme. Einmal würdest du deine Freiheit verlieren. Hier gibt es — oder gab es
zumindest früher — eine Wärme und Kameradschaft, die du dann auch aufgeben
müßtest.
    Aber, so tröstete ich mich, ich würde
mehr Geld für die Renovierung des Hauses haben und bezahlten Urlaub, vielleicht
sogar zahnärztliche Versorgung oder eine Pension.
    Wie steht es mit dem Gefühl, daß alles
einen Sinn hat? fragte die ärgerliche Stimme. Hier hast du das Gefühl, etwas
Wertvolles zu leisten, etwas, das zählt.
    Tut es das? dachte ich. Manchmal frage
ich mich das. Das ist das Dumme, wenn man älter wird. Man fängt damit an,
Zweifel zu hegen, wieviel man wirklich

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