Nette Nachbarn
sofort auffiel. Aber wie sollte ich
herausbekommen, worin diese Verbindung bestand? Die Information, die ich über
Harry bekommen hatte, war spärlich. Ich wußte nur, daß er in einer Herberge in
der Turk Street hauste und daß sein Nachname möglicherweise Woods war. Und
diese Fakten hatte ich von Otis Knox; wenn er und Harry in etwas verwickelt
waren — und so, wie ich Knox einschätzte, war das alles andere als legal — ,
dann hätte er mir kaum die Wahrheit gesagt.
Natürlich konnte ich versuchen, die
Beziehung von einer anderen Seite anzugehen, indem ich nämlich Nachforschungen
über Knox’ Leben anstellte. Aber das wäre riskant, weil die Polizei
wahrscheinlich genau dasselbe tun würde. Trotzdem gab es nichts, was mich daran
hindern konnte, mir eine Kopie des Zeitungsinterviews mit Knox zu beschaffen
und mich erneut mit den Fakten vertraut zu machen. Und vielleicht konnte ich
mir sogar den Reporter schnappen, der es geschrieben hatte, und ihn über seine
Eindrücke von dem Pornokönig aushorchen. Wie hieß er gleich wieder? Ellis? Ja,
richtig, Jeff Ellis. Er hatte den Anruf nicht erwidert, den ich neulich gemacht
hatte, ebensowenig wie J. D. Smith. Ich sollte beim Haus des Chronicle vorbeifahren.
»Das stimmt«, sagte Carolyn gerade zu
Don. »Orange County gilt als das führende Zentrum vietnamesischen Lebens hier
in diesem Land. Vor allem das Stück der Bolsa Avenue, das durch Garden Grove
und Westminster verläuft — dort gibt es über zweihundert vietnamesische
Geschäfte und Büros auf nur einer Meile. Aber San Jose in Nordkalifornien fängt
an, ihm Konkurrenz zu machen. Im Santa Clara County gibt es über vierhundert
Betriebe im Besitz von Vietnamesen, und sie haben dort auch die erste Bank in
Nordkalifornien, die im Besitz von Flüchtlingen ist.«
Weder sie noch Don schienen bemerkt zu
haben, daß ich mich ausgeschlossen hatte, und so schaltete ich wieder ab. Es
erschien trivial, über Statistiken der Handelskammer zu sprechen, in denen es
um die Flüchtlinge ging, wenn einer von ihnen brutal ermordet und Duc
verschwunden war — oder auf der Flucht. Was das anging schien aber auch mein
Plan, mit dem Reporter des Chronicle zu sprechen, ziemlich trivial. Ich
wußte nicht sicher, ob Otis Knox’ Tod mit Hoa Dinhs Ermordung oder Ducs
Verschwinden in Zusammenhang stand. Tatsächlich wußte ich ja nicht einmal mit
Sicherheit, ob Knox wirklich ermordet worden war. Diese ganzen Spekulationen
über Bruder Harry könnten unwichtig sein. Was zählte, war, wo Duc sich
aufhielt. Wenn ich Duc finden würde, könnte ich die Antworten auf eine ganze
Reihe von Fragen bekommen.
Duc finden. Was ich brauchte war
Betätigung, ich wollte in die Nachbarschaft hinausgehen und die Einwohner
durchkämmen, feststellen, ob irgend jemand ihn gesehen hatte. Wenn ich mit
genügend Leuten sprach, dann würde ich bestimmt jemanden finden, der etwas
wußte. Und wenn sie wußten, daß Duc vermißt wurde, dann würden sie nach ihm
Ausschau halten. Aber ich konnte nicht ins Tenderloin zurückkehren, ohne Gefahr
zu laufen, mit der Polizei zusammenzustoßen.
Ich schob die Fettucini noch etwas
umher, aß eine Muschel, nippte am Wein. Carolyn erzählte von ihren Problemen
bei der Beschaffung von Geldmitteln; Don war mitfühlend; meine Gedanken
wanderten zurück zu Hoa Dinh.
Welche Beziehung gab es zwischen Hoa
und Duc und Otis Knox? Welche mögliche Verbindung zwischen zwei jungen
Vietnamesen und einem von San Franciscos Spitzen-Pornographieproduzenten? Nur
Ducs Schwester. Duc könnte Knox umgebracht haben, weil er Dolly etwas angetan
hatte, aber ich konnte nicht glauben, daß er seinen besten Freund ermordet
haben könnte. Also hatte ich es vielleicht mit zwei Mördern zu tun...
Verdammt noch mal, ich mußte zurück und
Fragen stellen! Und das war unmöglich.
»...hört sich an wie etwas, das ich zum
Thema in einer meiner one-in-four-Sendungen nehmen könnte«, sagte Don gerade.
»Das ist ein wichtiges Thema hier in der Bay Area, aber ich weiß nicht, wie
viele Leute sich darüber im klaren sind. Unsere Zuhörer sollten informiert
werden, welche Einwirkung die Flüchtlinge auf unsere Stadt haben.«
»Was?« sagte ich.
Er lächelte mir zu. »Du bist heute
wirklich weit fort, Baby. Ich habe Carolyn gerade erzählt, daß ich gerne das
Flüchtlingsproblem zu einem Thema in meiner one-in-four-Sendung machen würde.
Was jetzt geschieht, was die Zukunft wahrscheinlich bringt, ein bißchen vom
historischen Hintergrund — «
Ich
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