Neu-Erscheinung
Drähte glühen. Wenn es stimmt, dass der Mensch fast siebzig Prozent des Tages auf der Suche nach Anerkennung ist, dann war ich jetzt schon kurz vor dem Ziel. Möglicherweise, nein, ganz sicher war ich in diesem Bereich extrem unterversorgt, gewissermaßen unteranerkannt, so wie man auch unterzuckert sein kann. Aber heute wartete auf mich eine Überdosis Anerkennungsinsulin. Keine Frage.
Mit energischem Druck öffnete ich die Tür zur Redaktion und blickte in die Runde. Aber keiner blickte zu mir. Wie auch, erstens konnte mich kaum einer sehen, und wenn, hätte sich ein jeder Bella Gabor anders vorgestellt, aber ganz bestimmt nicht so wie mich, und zweitens legte ich es auch gar nicht darauf an.
Wie immer war Frau Löffler der erste Mensch, den ich auf der Arbeit sah. Sie kauerte hinter einem zigfach laienhaft überlackierten Schreibtisch aus der Gründerzeit, auf dem Frau Löfflers Usambaraveilchen einen ganz besonderen Platz hatte. Sie machte einen sehr angespannten Eindruck. Was nicht nur daran lag, dass der Telefonhörer angestrengt und ergonomisch nicht sehr korrekt zwischen rechtem Schlüsselbein und rechter Wange eingeklemmt war, während sie mit geübtem Schwung für fremde Augen unlesbare Notizen machte.
Frau Löffler hatte einen ungewöhnlich roten Kopf an diesem Morgen, und bei genauem Hinsehen flossen ihr auch winzig kleine Schweißtröpfchen von der Stirn. Dann war sie fertig mit ihren Notizen und legte den Hörer sichtlich erleichtert aufs Telefon. Die Schiefstellung des Kopfes behielt sie seltsamerweise bei.
»Gut, dass Sie kommen, hier brennt die Hütte.«
»Was ist denn passiert?«, fragte ich, »Schweinepest, Vogelgrippe, Tod eines Schützenkönigs?«
»Ach, Herr Litten, wenn es das mal wäre.«
Ganz langsam ging Frau Löfflers Kopf wieder in die Vertikale. Jetzt konnte sie mir endlich sagen, was passiert war. Für einen winzigen Augenblick schloss ich die Augen und hoffte noch einmal intensiv, dass es das war, worauf ich mich nun schon so lange diebisch gefreut hatte. Ich sollte sofort belohnt werden.
»Diese
Messias
, ich kann’s schon nicht mehr hören, es klingelt in einer Tour.«
»Was ist denn damit, ich hab die Folge heute nicht gelesen.«
Aber geschrieben – ein Gedanke, der mir wie ein warmer Testosteronschauer durch den Körper schoss.
»Jetzt hat sie die Kirche angegriffen. Aber direkt, das geht doch nicht.«
»Ehrlich?«
»Jaha, lesen Sie doch mal!«
Frau Löffler reichte mir die aufgeschlagene Zeitung.
»Später, ich hab gleich einen Termin im Rathaus. Bauausschuss.«
»Aber ...«
»Später, Frau Löffler, später.«
Ich ging in Richtung Lokalredaktion 1 , zweite Tür rechts, direkt neben dem Gästeklo und dem Kopiererkämmerchen. Ansgar war bestimmt schon da. Ansgar war immer vor mir da. Angeblich um sein Pensum besser zu schaffen. Der wahre Grund war seine Frau. Ansgar konnte es nämlich nur sehr schwer ertragen, bereits am frühen Morgen von Carola mit gynäkologischen Themen jeglicher Art anschauungsvoll belästigt zu werden. Wer interessiert sich auch schon für Ausschabungen und Gebärmutterhalsentzündungen, während man eigentlich frischen Wildblütenhonig über ein dunkelbraun geröstetes Toastbrot streichen will. In diesem Punkt konnte ich Ansgar sehr gut verstehen.
»Ist das irre?!«
Kollege Siggi schoss an mir vorbei wie ein ICE im Pünktlichkeitsrausch.
»Erst ’nen Typen, der auf Typen steht, und jetzt volle Breitseite auf die Kirche. Wie schräg ist das denn?«
Zum ersten Mal in unserem beruflichen Zusammenleben stieg in mir der Wunsch auf, Siggi aus voller Überzeugung in den Arm zu nehmen. Ihm auf die Schulter zu klopfen und ihn für diese herausragende Analyse öffentlich zu preisen. Ich musste es mir verkneifen, Siggi rannte von mir ungeklopft und ungepriesen in Richtung Redaktion, ich folgte ihm mit einem Siegerlächeln, was Frau Löffler sehr wahrscheinlich mehr als irritierte.
Ansgar saß vor dem Mantelteil und schüttelte den Kopf.
»Haste gelesen, Paul?«
»Nee, was?«
»Na hier, die Fortsetzung!«
Wie zur Bestätigung lieferte Siggi noch einmal ein durchaus überzeugendes Lachprusten nach. »Irre, oder, ich hab mich so was von beömmelt, echt!«
Ich gab erneut den Don Ahnungslos aus dem ersten Akt.
»Du, ich hatte heute Morgen ’ne längere Diskussion mit Bettina, bin gar nicht dazu gekommen, was ist denn?«
»Was ist? Diese Gabor hat durchgeladen. Volltreffer. Hätte ich im Leben nicht gedacht. Hier raucht der Karton!«
»Was
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