Neu-Erscheinung
gut, die Messias lügt man ja nicht an.«
»Eigentlich nicht, aber war ja nur ein Test.«
»Ja schon, aber, weiß auch nicht ... ist denn jetzt alles wieder gut?«
»Ja, Resi, alles gut.«
Resi erhebt sich, glücklich und dankbar lächelnd, ohne jeden weiteren Kommentar, und wankt mit extrem unsicherem Bewegungsdrang dem Poltern an der Tür entgegen, nicht ohne vorher pflichtbewusst nach ihrem Eimer mit den Putzutensilien zu greifen. Sie öffnet die idiotisch angemalte Bauerntür und rennt dabei der Pensionswirtin direkt in die Arme. Bevor Frau Nadlhuber etwas sagen kann, offenbart Resi, was sie bewegt.
»Wissen Sie was, bewegen Sie Ihre damischen Bettpfannen doch allein, Frau Nadlhuber!«
Resi muss da irgendwas völlig falsch verstanden haben. Was auch für Frau Nadlhuber gilt, die mich mit irrem Blick fixiert.
»Wo sie recht hat, hat sie recht, die Resi«, lalle ich so deutlich es geht.
Ich und Bettina (schlafend)
Erst nach einer geschlagenen Stunde bemerkte ich, dass ich die Seiten eines handelsüblichen Krimis aus Schweden nicht gelesen, sondern nur im Abstand von einigen Minuten rein mechanisch umgeblättert hatte. Denn anders konnte ich mir nicht erklären, warum der Kommissar aus Ystad die moralische Verrohung seines Landes, die Alkoholsucht seines Kollegen, den Selbstmord von dessen Frau und die einsetzenden Wehen seiner eigenen Tochter plötzlich vergessen haben sollte. Als ich noch konzentriert las, waren doch genau diese Probleme gerade mal am Anfang ihrer dramatischen Exposition.
Ich lag im Bett, schaute auf die Uhr, deren giftgrüne Neonziffernkombination mit sterilem Desinteresse das Ende der Nacht versprach, während Bettina neben mir friedlich schlummerte, und malte mir noch einmal aus, was am nächsten Tag passieren würde. Die letzte Folge meiner
Messias
hatte ich wie im Rausch geschrieben, nackt vor meinem Notebook bis auf ein Paar cremefarbene Baumwollsocken. Bettina war den ganzen Nachmittag auf einer Fortbildung ihrer katholischen Bildungsstätte gewesen, und ich nutzte die Zeit, um Ansgar die Relevanz der Geschichte zu liefern, die er vermisst hatte. Vielleicht hätte ich noch mehr Bettpfannen-Attacken geritten, wenn mir nicht bei den letzten Zeilen aufgefallen wäre, dass mich am Rande des Waldes, auf den ich durch mein Fenster im Arbeitszimmer schauen konnte, ein älteres Wandererpärchen unverhohlen beobachtete. Das lodengrüngewandete Männchen des Paares hatte ein Fernglas zu Hilfe genommen. Man wird ja wohl noch nackt am Schreibtisch sitzen dürfen, zumindest in den eigenen vier Wänden. Und ich hatte wirklich Socken an.
Bettina hatte nicht den leisesten Schimmer, was am nächsten Tag passieren sollte. Und so hatten wir beide seit langem mal wieder so etwas wie eine gemeinsame Grundlage. Hätte ich auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt, was die aktuelle Ausgabe des Schicksals in nur wenigen Stunden für mich im Programm hatte, wäre ich sofort aufgestanden, um alles Notwendige für eine Spontanflucht vorzubereiten. Stattdessen schlief ich mit einem kindlich zufriedenen Lächeln auf den Lippen ein. Vorfreude kann so trügerisch sein ...
Ich und Bettina (wach, hellwach!)
Wir frühstückten ohne Blickkontakt. Zwischen uns der Lokalteil und die Kulturseite meiner Zeitung.
Ich wartete voller Ungeduld auf ihr Umblättern. Zwei Seiten trennten Bettina noch von jeder Menge Relevanz. Ich konnte es kaum erwarten, endlich ihre Reaktion zu sehen.
»Kaffee?«
»Aber nur halb.«
Ich goss ihr die Tasse halb voll und wartete, während ich so tat, als interessiere es mich ernsthaft, dass der erst 17 -jährige Kevin Lehmschulte die Kreismeisterschaften im Bogenschießen gewonnen hatte. Was diese herausragende Leistung allerdings auf der Kulturseite zu suchen hatte, beschäftigte mich schon ein wenig.
»Wie viel Uhr?«
»Kurz vor sieben.«
»Danke.«
»Gerne.«
Bettina blätterte um.
»Wie war eigentlich deine Fortbildung?«
»Ging.«
Ich hakte nicht weiter nach, sah aber plötzlich Bettinas Kopf hinter der Zeitung auftauchen.
»Warum?«
»Nur so.«
»Ich hätte es mir eigentlich auch klemmen können. Lesnik hat aus seinem Referat einen Staatsakt gemacht.«
Thomas Lesnik war Bettinas Kollege in der Bildungsstätte. Und ein unsympathischer Ehrgeizling mit schleimerhafter Erscheinung in den dazu passenden Breitcordanzügen. Obwohl ich eigentlich nichts weiter über Thomas Lesnik, sein Referat und das ganze Seminar wissen wollte, legte Bettina mit einem Mal die Zeitung zur Seite
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