Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
Vom Netzwerk:
Röhrenfernseher, den ich schon immer gegen einen Flatscreen eintauschen wollte, dran glauben. Der Stahlkeil machte kurzen Prozess mit der Mattscheibe, und die Implosion der Röhre fand aus unerfindlichen Gründen nicht statt. Egal! Das Kulturquartett auf 3 Sat, das Bettina so liebte, fand nun auch nicht mehr statt. Jedenfalls nicht auf und in diesem Fernseher.
    Das Zerhacken einer Ikea-Aufbewahrungsbox bewies mir einmal mehr, dass die schwedischen Knäckebrotdesigner zwar jede Menge Ahnung von hübscher Äußerlichkeit haben, aber von Stabilität haben sie nicht den blassesten Schimmer. Ein Hieb, und die Box war Geschichte.
    Die fröhlichen Männer, die auf einem eisernen T-Träger in schwindelerregender Höhe ihre Frühstückspause machten und dabei vor gefühlten hundert Jahren fotografiert wurden, lachten mich ein letztes Mal an. Das Foto, dessen Edelstahlrahmen teurer war als das eigentliche Bild, schlug ich der Einfachheit halber komplett über der Stehlampe zusammen. Auch ohne Axt, mit großem Spaß.
    Minuten später musste aber meine neue Freundin wieder ran. Dass man einen Deckenfluter auch als kleiner Mann mit nur einem Schlag von oben nach unten befördern kann, war mir neu. Den Triumph schrie ich mit grunzartigen Tierlauten aus mir heraus. Wir waren so gut, meine Axt und ich. Wir hatten ein gemeinsames Ziel und kannten keine Gnade. Nicht vor der dämlichen Fotogalerie auf dem Sideboard, mit all den überflüssigen Erinnerungen an Bettinas Studienzeit, einen Türkeiurlaub mit ihren besten Freundinnen und dem Bild von Schnuckel, ihrem ersten Wellensittich, nichts fand unsere Gnade.
    Dann hörte ich ihr Auto. Wie es in unsere Einfahrt einbog, wie es zum Stehen kam, wie der Motor abgewürgt wurde, wie sich die Fahrertür mit dem bekannten Quietschen öffnete. Jetzt war Bettina an der Heckklappe, um ihre Handtasche und vielleicht ein paar Akten zu klauben, die sie oft freiwillig mit nach Hause nahm, um ihren guten Willen zu demonstrieren. Die Heckklappe wurde zugeschmissen, wie immer viel zu heftig, so als gälte es, den Werksscharnieren die eigene physische Überlegenheit zu demonstrieren. Wie oft hatte ich Bettina gesagt, schmeiß die Klappe nicht so feste zu, die kann doch nichts dafür. Wofür, fragte sie dann immer, und ich schwieg. Jetzt waren Schritte zu hören. 1 – 2 – 3 – 4 , sie haben ihr Ziel erreicht. Dann ihr Schlüssel in unserem Haustürschloss. Die Klinke, ein Druck, ein Schrei!
    Sie hatte die japanischen Ästchen gesehen!
    »Paul Elmarrrrrrrr?!«
    »Hier bin ich, Schatz, hihier!« Ganz leise sollte meine Ortsbestimmung an ihr kleines, hübsches Öhrchen dringen.
    »Paul Elmarrrrrrr, kannst du mir erklären ...?«
    »Hallo? Schahatz? Hier bin ich! Im Wohnzimmer! Und ich habe eine Überraschung für dich!«
    Dann stand sie im Wohnzimmer und war unfähig, etwas zu sagen. Mit offenem Mund starrte sie auf das Bild der Verwüstung, und erst dann widmete sie mir ihre Aufmerksamkeit. Ein bisschen zu spät, wie ich fand. Doch ich war nicht nachtragend, ich war sauer.
    Ich lächelte besser als Jack Nicholson in
Shining
und ließ die Axt in meinen Händen wippen.
    »Na, gefällt dir das?«
    »Paul Elmar?«
    Ja, ja, das Elmar-R gab es nicht mehr, das traute sie sich nicht. Wir waren zu zweit, meine Axt und ich. Sie war alleine.
    »Da staunst du, was, Bettinaaaaaaaaaaa?«
    »Paul, was ist mit dir?«
    Ganz langsam gingen wir auf sie zu.
    »Was mit mir ist?«
    Bettina nickte nur.
    »Das fragst du mich?«
    Bettina wich zurück.
    »Du ... du ... Heuchlerin!«
    »Paul, beruhige dich, man kann doch über alles reden.«
    »Muss man aber nicht, Bettina.«
    Jetzt gab es kein Zurückweichen mehr. Bettinas Rücken klebte an der Wand, wo noch vor kurzem ein Neo-Rauch-Druck seinen mittelmäßigen Eindruck hinterließ.
    »Bitte, wir hatten doch auch gute Zeiten!«
    »So? Hatten wir die?«
    »Ja, Paul, hatten wir!«
    »Wann denn, muss schon lange her sein. Sehr lange ... mein Schatz. So lange, dass ich mich kaum erinnern kann, Bettina.«
    Ich lächelte fies wie ein Versicherungsvertreter vor dem Vertragsabschluss.
    »Bitte nicht!«
    »Zu spät.«
    »Bitte, es ist nie zu spät!«
    »Doch, jetzt ist es zu spät!«
    Hack! Hack! Hack!

Ich und die Wahrheit
    Ich bin ein guter Mensch und habe weder eine Axt noch die Absicht, eine zu erwerben. Den begehbaren Schrank in unserem Schlafzimmer gibt es schon, aber Bettina hasst ihn mindestens so wie ich. Er war schon immer da, längst vor uns. Wir hatten das Haus mit ihm

Weitere Kostenlose Bücher