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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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Ich finde, was Frau Rammelau da losgetreten hat, völlig richtig, keine Frage. Nicht jetzt, nicht später.«
    Wann dann, dachte ich.
    »Wir haben das Thema im Rathaus natürlich auch auf dem Schirm, nicht erst seit gestern, ganz klar, keine Frage. Bei uns, da gibt es ganz klar, um nicht zu sagen, hundertprozentig, klipp und klar fixierte ...«
    Seine Augen suchten die Umgebung ab, vergeblich, denn den Fortgang dessen, was er sagen wollte, fanden sie nicht. Prätorius hatte keine Texttafeln für seinen Bürgermeister aufgebaut. Sehr schade.
    »Ja?«
    »Na, hier, wie sagt man ...«
    »Keine Ahnung.«
    »Na, Mensch, hach«, seufzte Dreckmann, »was wollte ich ...?«
    Ich zuckte nur mit den Schultern, angenehm amüsiert, und genoss zunehmend die Unbeholfenheit von Muendens gewählter Nummer eins.
    »Jetzt hab ich’s wieder. Bei uns gibt es jede Menge Frauen.«
    »So?«
    Na, das war ja mal eine Aussage. Wenn er jetzt noch die Quote der Frauen verraten hätte, die ihm nach den legendären Weihnachtsfeiern der Stadtverwaltung nicht in angenehmer Erinnerung geblieben sind, wäre ich wissenstechnisch betrachtet reich beschenkt in die Redaktion gefahren. Blödsinn erzählen ja viele Politiker, aber bei den meisten macht es längst nicht so viel Spaß zu raten, was sie eigentlich sagen wollen.
    »Bei uns sind neunundvierzig Prozent Frauen, mehr als ein Drittel, ich meine fast die Hälfte. Ganz klar, keine Frage.«
    »Mhm.«
    »So, und jetzt Sie!«
    »Ich?«
    »Ja, jetzt kommen Sie ins Spiel.«
    »Wir haben doch nur eine Sekretärin, die Frau Löffler.«
    »Das meine ich doch nicht, was ich meine, ist ... was ich meine, ist...«
    »’tschuldigung, mein Handy.«
    Manchmal ist so ein Teil doch von Vorteil. Es brachte Dreckmann noch mehr in Schwingungen, verschaffte ihm aber auch die Zeit, sich zu überlegen, was er von mir wollte.
    »Ja.«
    »Ich bin’s, Ansgar, du musst mir helfen.« Seine Stimme klang erregt, und ich hätte spüren müssen, wie erregt sie klang.
    »Ich kann jetzt nicht, sitz gerade mit Herrn Dreckmann im Hermanns. Ruf’ doch in ’ner Stunde nochmal an.«
    Ich schaltete das Handy aus, ohne Ansgar eine Chance der Erklärung zu geben.
    »Was Wichtiges?«
    »Nein, nein, mein Kollege.«
    »Ich will offen zu Ihnen sein, ich will Fehler vermeiden und möchte Sie bitten, mich zu beraten.«
    »Ich soll Sie beraten?«
    »Ja, wissen Sie ... Ihre Meinung ist die Meinung der Stadt.«
    »Nicht ganz, ich gebe nur wieder ...«
    »Oh nein, Herr Litten, Sie machen Meinung, ganz klar, keine Frage. Was Sie schreiben, hat Gewicht.«
    Er hatte mich.
    »Sie sind die Stimme dieser Stadt.«
    Dreckmanns Worte formten sich allmählich zu klaren Aussagen. Zu Balsam. Zu ... – Moment, so naiv kann man doch nicht sein.
    »Herr Dreckmann, mal ganz konkret, was wollen Sie?«
    Er seufzte, atmete tief ein und aus, zögerte und war dann doch endlich bereit, Tacheles zu reden.
    »Wie soll ich mich verhalten?«
    »Sie sollten eine eindeutige Stellung beziehen. Eine, die keine Fragen offenlässt.«
    »Eindeutig, ganz klar, keine Frage, aber die Frage ist doch: Wie? Und vor allem, wie eindeutig?«
    Ich schwieg und sah darin meine einzige Chance, fehlerfrei aus dem Gespräch zu gehen. Dreckmann war am Ruder, suchte aber noch nach dem richtigen Kurs. Er leerte sein Bierglas mit einem gierigen Schluck und unternahm dann einen neuen Anlauf.
    »Herr Litten, wenn ich eine Lanze für die Frauen breche, verliere ich bei den Konservativen. Tue ich es nicht, verliere ich bei den Frauen ...«
    »Ganz klar, keine Frage.«
    »Eine Kritik an der Kirche, und sei es auch nur an ihrer Personalpolitik ... lieber Herr Litten, Sie wissen, wie heikel das ist.«
    Ich nickte, wo er recht hatte, durfte ich nicht korrigieren.
    »Wissen Sie, eigentlich tragen Sie ja auch ein bisschen die Verantwortung für das ganze Thema.«
    »Ich?«
    »Ja, ganz klar, keine Frage. Ich meine, wenn Ihre Zeitung nicht mit dieser
Messias
angefangen hätte, wär doch nix passiert.«
    Dreckmanns Treffer nahmen zu.
    »Ist natürlich nur ein Zufall.«
    Von wegen.
    »Aber selbst meine Frau fängt ja plötzlich an mit ganz merkwürdigen Gedanken.«
    Klar.
    »Ich weiß, dass Sie nix dazu können, Sie haben das ja nicht geschrieben.«
    Keine Frage.
    »Aber es ist Ihre Zeitung, irgendwie, oder? Sie stehen da in vorderster Front, lokal jetzt, ganz klar, keine Frage.«
    »Herr Dreckmann, entscheiden Sie mit dem Bauch, sagen Sie, was Sie denken, und wenn es noch so schwerfällt. Machen Sie aus Ihrem

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