Neu-Erscheinung
zwischendurch
Die Ereignisse hatten sich überschlagen. Ansgar hatte den Fehler seines Lebens gemacht, diverse Tageszeitungen druckten die
Messias
mit wachsender Begeisterung, und in Detmold und Umgebung gründete sich sogar ein erster Fanclub und behauptete steif und fest, dass Hannah von Nazareth sich wirklich in Detmold aufhielt. Was in Greetsiel nicht passieren konnte, dafür war die Wut des örtlichen Pfarrers zu groß und seine Macht so stark, dass niemand auf die Idee kam, einen oppositionellen Gegenentwurf zu wagen. Abgesehen von einer überschaubaren Gruppe von Agnostikern aus Wittmund, die zumindest einen Diskussionsabend organisieren wollte, der aber aus Mangel an Interesse kurzfristig abgesagt werden musste.
Masuch legte mir eine Liste vor mit Städten und Gemeinden, deren Tageszeitungen auch ein Interesse daran hatten, die
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ins Blatt zu nehmen. Denn wo immer die Geschichte erschien, stieg auch die Auflage. Eine Stadt in der Uckermark war sogar bereit, dafür zu zahlen, aber nur unter der Voraussetzung, dass die beiden zentralen Skandale der letzten zehn Jahre nicht in der Geschichte auftauchen. Da weder Masuch noch ich von den beiden Skandalen wussten, war dies kein Problem. Ein Problem war aber, dass ich nicht mehr bereit war, die
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in der gewohnten Häufigkeit zu schreiben. Ich war leer geschrieben, und die Geschichte hatte eine Richtung eingeschlagen, die nicht mehr in meinem Sinne war. Vielleicht war Carola gar nicht auf die Idee gekommen, zu einer gynäkologischen Revolutionärin zu werden, nur weil die Hannah von Nazareth sie inspiriert hatte, vielleicht wäre das auch so passiert. Aber ganz sicher konnte ich mir da nicht sein. Ich wollte aber sicher sein, dass die Geschichte nichts mehr bewirkt. Aber dafür war es mittlerweile zu spät.
Meine letzte Chance, den Schaden einigermaßen zu begrenzen, sah ich in einer akribischen Vorbereitung des Auftrittes von Bella Gabor in der Talkshow von Barbara Freitag.
Ich und Dana ohne die anderen
Dana machte auf gelehrige Schülerin. Masuch musste sie in der Zwischenzeit mächtig gebrieft haben. Aus der obercoolen Schauspielschülerin war eine gelehrige Praktikantin geworden. Den aufgeschlagenen Notizblock auf ihrem Schoß fand ich aber dennoch ein wenig übertrieben, denn mir war natürlich klar, dass sie im Laufe meiner Lehrstunde nicht eine einzige Notiz machen würde. Ich musste mich also sehr präzise ausdrücken, um ihr die Chance zu geben, die elementaren Dinge durch reines Zuhören abzuspeichern.
Dana und ich waren alleine in der Redaktion. Ansgar war auf einer Mission, und ich hoffte für ihn und mich, dass sie erfolgreich sein würde, Siggi musste zur Strafe für sein offensichtliches Krankfeiern ein Seniorenfrühstück mit Diavortrag und anschließender Schonkost reportieren, und Frau Löffler hatte einen Zahnarzttermin – ohne kariösen Befund, nur zur Kontrolle, wie sie mir mehrfach versicherte.
»Wo fangen wir an, Herr Litten?«
»Wer ist Bella Gabor?«
Was für ein didaktisches Intro.
»Keine Ahnung«, antwortete Dana. Und damit hatte sie natürlich recht. Ehrlich gesagt, hatte ich mir bis zu diesem Zeitpunkt auch keinerlei Gedanken darüber gemacht, wer Bella Gabor war.
»Bella Gabor kommt aus ...«
Während ich noch reflektierte, hatte Dana bereits eine Antwort.
» ... München?«
»Nein, warum?«
»Ich würde gerne aus München kommen.«
»Bella Gabor aber nicht.«
»Schade.«
»Bella Gabor kommt aus ...«
» ... Berlin?«
»Oslo«, erwiderte ich, so kategorisch es unter diesen Umständen ging.
»Oslo?«
»Sie ist in Oslo geboren worden und als Neuzehnjährige nach Düsseldorf gezogen.«
»Warum?«
»Weil sie sich verliebt hat.«
»In Düsseldorf?«
»In Oslo.«
»Warum ist sie dann da nicht geblieben?«
Ich bekam ein klammes Gefühl, dass die Zeit nicht reichen würde, um aus Dana eine perfekte Bella Gabor zu machen, aber hatte ich eine andere Chance, als es wenigstens zu versuchen?
»Ihr Freund war in Oslo als Student.«
»Und ist dann nach seinem Studium nach Düsseldorf zurückgegangen?«, schlug Dana vor.
»Ja, genau.«
»Er hat Tourismus studiert und übernimmt nun das Hotel seines chronisch kranken Stiefvaters, obwohl die neurotische Mutter dagegen war, weil die Ehe der beiden auf der Kippe steht, seitdem sie ... –«
»Dana? Es geht um Bella, nicht um irgendwelche Ehen von Hoteliers in Düsseldorf.«
»War ja nur so ’n Vorschlag.«
»Bella hat schon früh damit begonnen, Romane zu
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