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Neubeginn in der Rothschildallee - Roman

Neubeginn in der Rothschildallee - Roman

Titel: Neubeginn in der Rothschildallee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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seinem Körper und seinem Blick und zog zufrieden Bilanz. »Ich habe gleich gewusst«, erzählte sie, »dass der Film mehr für dich ist als für mich. Du bist nun mal schlauer. Doch mir macht das nichts aus. Überhaupt nichts. Ich hab mir ein Loch in den Bauch gefreut, als ich gesehen habe, wie du gelacht hast. Du hast ja einmal richtig gebrüllt. Wie der amerikanische Löwe, der immer so schön sein Maul aufreißt, ehe der Hauptfilm losgeht.«
    »Bist du immer so selbstlos? Hast du denn keine Angst, andere könnten deine Gutmütigkeit ausnutzen?«
    »Doch immerzu, allerdings nur, weil Vater mich ständig darauf aufmerksam macht, dass ich zu weich bin. Aber bei dir muss ich nicht aufpassen. Du nutzt keinen aus. Da bin ich mir ganz sicher. Du kannst es ja auch nicht haben, wenn jemand unglücklich ist.«
    »Und wer hat dir das verraten? Doch nicht meine treuen Hundeaugen.«
    »Das ist mir sofort an dir aufgefallen. Bei deinem ersten Besuch hast du jeden Zentimeter vom Fußboden in unserem Esszimmer abgesucht, obwohl du einen empfindlichen Anzug anhattest. Die süße kleine Ora hat herzerweichend geschluchzt, weil ihre Puppe einen Schuh verloren hatte. Das hat sie nur für dich getan. Alle anderen haben nämlich gewusst, dass ihre Puppe gar keine Schuhe hat.«
    »Vor deinem Gedächtnis lernt ein Mann ja das große Fürchten«, lachte Don Juan. »Eine Frau mit gutem Gedächtnis ist in der Ehe eine tickende Zeitbombe.«
    Ihn rührte die Vorstellung, dass Fanny den Kabarettfilm eigens für ihn ausgesucht hatte. Um sich ihrer Großzügigkeit würdig zu erweisen, schlug er für den letzten Kinobesuch des Jahres »Wiener Mädeln« vor. Der gefällige österreichische Musikfilm, noch im Jahr 1944, als die Welt dabei war, in Flammen aufzugehen, von Willi Forst mit seiner viel gerühmten leichten Hand gedreht, wurde auf den Plakaten als »romantische Komödie« bezeichnet. Die anspruchslose Heiterkeit lockte auch das deutsche Publikum, das die vielen Problem-, Kriegs- und Trümmerfilme der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht mehr sehen mochte, scharenweise in die Kinos. Kaum dass der Film in Deutschland anlief, spielten sämtliche westdeutsche Rundfunksender die sentimentalen Ohrwürmer, regelmäßig brachten Zeitungen und Illustrierte Fotos von den niedlichen Schauspielerinnen, die dem Film seinen Flair gaben und genau der Vorstellung von süßen Wiener Mädels entsprachen.
    Don Juan hatte kein Gespür für Musikfilme, die Kombination von Romantik und Komödie langweilte ihn, und von dem Wiener Komponisten Carl Michael Ziehrer, um den es in den »Wiener Mädeln« ging, hatte er noch nie gehört. Jedoch tröstete er sich schon vor dem Kino über seine sämtlichen Vorbehalte hinweg. Als er nach einer halben Stunde im Nieselregen den Kopf der Schlange vor der Kartenkasse erreichte, stellte er nämlich fest, dass Willi Forst nicht nur Regie führte, sondern auch mitspielte. Auch Hans Moser war mit von der Partie. Der nuschelnde Moser mit dem brummigen Witz und Willi Forst, der dem Schönheitsideal der Dreißigerjahre entsprochen und in seinen Filmen stets Glück bei den Frauen hatte, waren Erinnerungen an Don Juans erste Kinoerlebnisse. Die stimmten ihn zwar wehmütig, doch seine Seele wärmten sie noch immer.
    Bei der Wiederbegegnung mit Willi Forst merkte er allerdings rasch, wie wenig Verlass auf Jugenderinnerungen ist. Er hatte Schwierigkeiten, Moser überhaupt zu verstehen, und Willi Forsts Charme kam ihm altbacken und ziemlich lächerlich vor. Umso mehr gefiel ihm ein blendend aussehender junger Schauspieler mit faszinierenden blauen Augen, einem markanten Gesicht und einer Stimme, die sich sofort einprägte. Er hieß Curd Jürgens. Der Reisende aus Montevideo grübelte so intensiv über die Unzuverlässigkeit des Gedächtnisses, dass er bereits in der ersten Viertelstunde den Faden der Filmhandlung verlor.
    Nun war er es, den die Freude an Fannys Vergnügen für entgangene Unterhaltung zu entschädigen hatte. Ihr Gesicht erschien ihm verzückt und mädchenhaft unschuldig, es machte ihm nichts aus, dass sie über Witze lachen konnte, die ihm den Altersunterschied zwischen ihr und ihm unangenehm deutlich vor Augen führten. Es war offensichtlich, dass Fanny im Gegensatz zu ihm ihren Spaß an der Musik hatte. Einmal merkte er, dass sie eine Melodie mitsummte, mehrmals tat sie Seufzer, die er als die vollkommene Seligkeit romantischer junger Mädchen interpretierte. Als er Fanny jedoch in den Mantel half, überraschte sie ihn

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