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Neubeginn in der Rothschildallee - Roman

Neubeginn in der Rothschildallee - Roman

Titel: Neubeginn in der Rothschildallee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Geburtstagskuchen haben. Für Clara habe ich Marzipanrosen gemacht.«
    »Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht«, sagte Betsy zum zweiten Mal, als Fritz die Wohnungstür aufschloss. Sein Mantel war offen, obwohl es stark regnete, den Hut hatte er in der Kanzlei vergessen, sein Gesicht war rot, er hechelte, als wäre er den ganzen Weg von der Biebergasse in die Rothschildallee gerannt. Er küsste Betsy die Hand, was er noch nie getan hatte, und nannte Aby versehentlich Ralfi. Beide Jungs waren erst gekränkt, und dann lachten sie so schallend, als hätte »Uncle Fizzie« den besten Witz gemacht, den sie je zu hören bekommen würden.
    »Hast du in der Lotterie gewonnen?«, fragte Betsy.
    »Ja.«
    »Wie viel?«
    »Wird sich zeigen. ›Curiosity killed the cat‹, sagt der Engländer. Das hat mir David beigebracht.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du spielst«, wunderte sich Fanny.
    »Das wusste ich bis heute auch nicht.«
    »Ich habe«, sagte Fritz beim Abendessen, »noch einen Überraschungsgast zum Geburtstag eingeladen. Falls ihr nichts dagegen habt.«
    »Warum schaust du mich an?«, fragte Betsy, »Ich habe ja nicht Geburtstag. Frag die Jubilare.«
    »Es ist doch egal, wie viel Leute nicht sitzen können«, sagte Erwin. »Mir ist nur wichtig, dass mir keiner ein Buch mit Goethegedichten schenkt. Das ist mir vor vierzig Jahren passiert.«
    »Vor achtunddreißig«, berichtigte Clara, »an unserem zwölften Geburtstag. Ich habe dich um die Gedichte beneidet. Falls du dich erinnern kannst, bekam ich eine Tischdecke und sechs silberne Kuchengabeln für meine Aussteuer.«
    »Es war eine Tischdecke für zwölf Personen«, erinnerte sich Betsy. »Ich wollte, wir hätten sie noch. Und den großen Tisch aus dem Esszimmer, den man ausziehen konnte. Diesmal müssen wir sämtliche Tische zusammenstellen, die wir haben. Auch die aus Annas Wohnung .«
    »Gott hat alles im Griff«, sagte Erwin. »Wozu brauchen wir eine Tischdecke für zwölf Personen, wenn wir keinen Tisch haben?«
    Es war schließlich Alice, die Lady aus Kapstadt, wo die Crème de la Crème ihre Feste unter Afrikas Sonne und auf geschorenem britischen Rasen feierte und dabei ohne eine feste Tischordnung auskam, die die Stimmung zügelte und den Zugang zu den besten Tortenstücken erschwerte, die den rettenden Vorschlag machte. »Wir verteilen alles Essbare auf die Tische, stellen Teller und Besteck dazu, und wer einen Stuhl braucht, der nimmt sich einen. Man muss nur achtgeben, nicht über die Kinder zu stolpern. Die sitzen die meiste Zeit auf dem Boden. Und jeder verpflichtet sich, dafür zu sorgen, dass Baby nicht in den Kartoffelsalat fällt.«
    »Donnerwetter. Und wie nennt sich so ein Budenzauber?«
    »Büffet«, klärte Leon auf. »Das hat sich in Deutschland noch nicht herumgesprochen. Hätten die Nazis mir nicht mein Medizinstudium vermasselt, wüsste ich das auch nicht.«
    Obwohl Clara und Erwin wochenlang erklärt hatten, sie wollten keine Geschenke und sie würden sich am wohlsten fühlen, wenn niemand von ihrem fünfzigsten Geburtstag Notiz nähme, freuten sie sich so über Betsys Geschenke, dass ihnen beiden die Tränen kamen. Für Clara gab es den Roman »Die Toten bleiben jung« von Anna Seghers, für Erwin das soeben erst in Deutschland erschienene Buch, das Riesenfurore machte, obgleich der Autor vollkommen unbekannt war: »1984« von dem Engländer George Orwell. Erwin drückte seine Mutter so fest, dass er selbst gerührt war, und nahm sich vor, noch nicht einmal Clara zu verraten, dass er das Buch in der Originalfassung bereits im Amerikahaus gelesen hatte. Trotz strikten Schenkverbots überreichte Fritz der überwältigten Clara eine antike Granatbrosche, die er bei einer Haushaltsauflösung ersteigert hatte, und seinem überraschten Schwager goldene Manschettenknöpfe aus der gleichen Quelle. Von Claudette gab es Taschentücher und Seidenschals mit eigenhändig gesticktem Monogramm, Fanny hatte ihrem Onkel einen Pullunder gestrickt und Clara ein hellblaues Sommercape gehäkelt. Das Ehepaar Dietz sorgte für Handfestes: Hans überreichte fünf Flaschen Sekt und drei Pfund Hochlandkaffee, Anna einen Gutschein mit dem Versprechen »Ein Jahr lang nach Bedarf Torten, gefilte Fisch, Hechtklößchen und Kalbsbrust« zu liefern. Betsy war ein wenig eifersüchtig, doch sie zeigte es nicht. Alle bewunderten Sophies schönen Frühlingsstrauß. Allein David wusste, dass sie die Tulpen in Nachbars Garten und die Narzissen in der Anlage gegenüber dem

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