Neubeginn in Virgin River
nie wieder warm.“
„Soll ich das Feuer anmachen?“, fragte Jack.
„Nicht nötig. Lass mich das nur austrinken. Erzähle Doc doch mal, dass ich heute einen Fisch gefangen habe.“
„Das stimmt“, bestätigte er. „Es war zwar kein großer Fisch, aber sie hat ihn selbst gefangen, auch wenn sie ihn ohne Hilfe nicht vom Haken nehmen konnte.“
Als Doc sie über den Brillenrand hinweg ansah, schob sie herausfordernd das Kinn vor. „Vorsicht, Melinda“, warnte er sie. „Sie könnten noch eine von uns werden.“
„Das wohl kaum. Jedenfalls nicht, solange Sie für Ihren Truck nicht wenigstens einen Camperaufbau anschaffen. Auf dem Rücksitz in meinem BMW wären wir besser dran gewesen.“
„Sie wären besser dran gewesen“, höhnte Doc. „Diese Blechkiste ist ja wohl kaum groß genug für eine Infarkt-Patientin und eine Schwester, die versucht, sie am Leben zu halten.“
„Ich werde mich nicht mit Ihnen darüber streiten“, hielt sie ihm entgegen. „Denn immerhin haben Sie mich jetzt zum ersten Mal ,Schwester‘ genannt. Langsam verstehen wir uns, Sie alter Knurrhahn.“ Dann sah sie zu Jack hoch. „Wir halten dich vom Schlaf ab.“
„Ach wo“, sagte er amüsiert. „Lasst euch Zeit. Am besten, ich leiste euch Gesellschaft.“ Er drehte sich um, wählte eine Flasche und goss sich ein. Dann hob er sein Glas zu einem Toast: „Auf die erstaunlich gute Zusammenarbeit! Ich freue mich, dass alles in Ordnung ist.“
Mel war erschöpft, was vor allem auf die anstrengende Fahrt in Docs Truck zurückzuführen war und darauf, dass sie den ganzen Nachmittag angespannt im Krankenhaus gewartet hatten. Und auch wenn es sie nicht großartig überraschte, so war ihr bewusst geworden, dass Connie mehr für sie war als nur eine Patientin. Sie war eine Freundin. Wenn man eine solche Arbeit an einem Ort wie diesem hier verrichtete, würden die Patienten irgendwann fast alle auch Freunde sein. Da musste es schwerfallen, neutral zu bleiben. Aber wenn man bei dieser Arbeit Erfolg hatte, war es auch umso erfreulicher und befriedigender.
In L. A. war das anders.
Doc trank seinen Whiskey aus und stand auf. „Gute Arbeit, Melinda. Aber morgen wollen wir versuchen, uns einmal einen richtig langweiligen Tag zu machen.“
„Danke, Doc.“
Nachdem der Arzt gegangen war, sagte Jack: „Das klingt ja fast so, als hättet ihr damit begonnen, euch zusammenzuraufen.“
„So etwas in der Art, ja“, bestätigte sie.
„Wie war die Fahrt ins Valley Hospital?“
„Bist du schon mal Geisterbahn gefahren?“ Er musste lachen. Sie schob ihm ihr Glas hin, und er schenkte ihr noch einen Schluck Crown ein.
„Möchtest du Eis oder Soda dazu?“, bot er an.
„Nein, er ist gut so. Sogar sehr gut.“
In kleinen Schlückchen leerte sie ihren Whiskey. Ein wenig zu schnell. Dann sah sie Jack an, neigte den Kopf zur Seite und deutete damit auf das Glas.
„Bist du sicher? Das musste doch eigentlich reichen. Deine Wangen sind schon ganz rot, und ich sehe dir an, dass du auch nicht mehr frierst.“
„Nur noch ein ganz kleines bisschen.“
Und sie erhielt noch ein bisschen – zwei Schlückchen.
„Danke dafür, dass du mit mir Angeln warst“, sagte sie. „Schade eigentlich, dass du mich nicht noch einmal angemacht hast.“
Überrascht lachte er auf. Inzwischen war sie etwas beschwipst. „Das ist schon in Ordnung so, Melinda. Wann immer du so weit bist.“
„Aha! Ich wusste es doch!“
„Das war aber auch nicht schwer zu erkennen.“
„Du bist so leicht zu durchschauen.“ Sie kippte den Rest ihres Glases hinunter. „Besser, ich gehe jetzt. Ich bin richtig voll.“ Sie stand auf und wäre fast gefallen, konnte sich aber gerade noch an der Bar festhalten. Jack lief schnell um den Tresen herum zu ihr und legte einen Arm um ihre Taille. Aus trüben Augen blickte sie zu ihm hoch. „Mist! Ich habe völlig vergessen zu essen.“
„Ich mache dir einen Kaffee“, schlug er vor.
„Um diesen herrlichen Schwips zu versauen? Mann, den habe ich mir verdient.“ Schwankend setzte sie einen Fuß vor den anderen. „Außerdem glaube ich nicht, dass ich davon wieder nüchtern werde. Wahrscheinlich macht er mich bloß hellwach betrunken.“
Jack hielt sie ein wenig fester und musste gegen seinen Willen lachen. „Also gut, Mel. Du kannst mein Bett haben, und ich schlafe auf der Couch …“
„Aber bei mir sind doch manchmal morgens die Rehe“, sagte sie in leicht weinerlichem Tonfall. „Ich will nach Hause. Sie könnten doch
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