Neubeginn in Virgin River
sie voller Energie und Begeisterung zu sein. Sie riefen, winkten und pfiffen ihr zu. Und flirteten. „Oh Baby, du bist morgens so schön“, brüllte Corny über die Straße und erhielt dafür als Belohnung von Jack einen Klaps an den Kopf.
Kaum waren sie fort, tauchte ein großer schwarzer Range Rover an der Ortseinfahrt auf und fuhr langsam die Straße hinunter. Zu Mels Überraschung hielt der Fahrer direkt vor der Praxis. Die Tür ging auf, ohne dass der Motor abgestellt wurde. Ein Mann stieg aus und blieb auf der Straße neben der geöffneten Tür, die ihn halb verdeckte, stehen. Es war ein großer Kerl mit breiten Schultern. Er trug eine schwarze Baseballkappe, unter der lockiges Haar hervorschaute. „Macht dieser Arzt auch Hausbesuche?“, fragte er.
Mel stand auf. „Ist jemand krank?“, wollte sie wissen.
Er schüttelte den Kopf. „Nein, schwanger“, stellte er klar.
Sie merkte, wie ihre Lippen sich unwillkürlich zu einem Lächeln verzogen. „Wenn nötig, machen wir Hausbesuche. Aber es ist viel praktischer, die pränatalen Untersuchungen hier in der Klinik durchzuführen. Am Mittwoch wäre noch ein Termin frei.“
„Sind Sie Doc Mullins?“, fragte er und sah sie mit zusammengekniffenen Augen zweifelnd an.
„Mel Monroe“, entgegnete sie mit einem Kichern. „Gemeindeschwester und Hebamme. Seit ich hier bin, hat Doc nicht mehr viel mit der Geburtshilfe zu tun. Wo möchte Ihre Frau denn ihr Baby bekommen?“
Er zuckte die Schultern. „Das steht noch nicht fest.“
„Nun, wo wohnen Sie denn?“
Er senkte den Kopf. „Sie ist auf der anderen Seite von Clear River. Etwa eine Stunde von hier.“
„Wir haben hier ein Krankenzimmer. Ist es das erste Kind?“
„Ich glaube schon, ja.“
Sie lachte. „Sie glauben?“
„Es ist das erste, um das ich mich kümmere“, sagte er. „Sie ist nicht meine Frau.“
„Tut mir leid“, sagte Mel. „Ich war davon ausgegangen. Bringen Sie die Lady doch zu einer Untersuchung vorbei. Dann kann ich ihr unser Zimmer zeigen und mich mit ihr über die verschiedenen Möglichkeiten unterhalten.“
„Was wäre, wenn sie es zu Hause bekommt?“, wollte er wissen.
„Nun, das wäre auch eine Möglichkeit“, sagte Mel. „Aber wirklich, Mr. …?“ Anders als erwartet nannte der Mann seinen Namen nicht.
Er stand einfach nur da, groß und kräftig, in Jeansjacke und Stiefeln. Und wirkte sehr ernst. „Wirklich“, meinte Mel, „die Person, die das Baby bekommen wird, sollte in die Unterhaltung mit einbezogen werden. Soll ich Ihnen einen Termin geben?“
„Ich werde anrufen“, sagte er. „Danke.“ Und damit stieg er in seinen Range Rover und fuhr aus dem Dorf.
Sie wunderte sich, denn ein solches Beratungsgespräch hatte sie noch nie erlebt. Sie hoffte nur, dass der Mann mit der schwangeren Frau besprechen würde, wo sie das Kind zur Welt bringen wollte.
Nach einer Woche reisten die Marines wieder ab, und im Dorf wurde es ruhiger. Nachdem sie sie allerdings etwas kennengelernt hatte, bedauerte es Mel jetzt tatsächlich, sie gehen zu sehen. Mit den Jungs im Ort war Preacher viel lebhafter, er hatte öfter gelacht und viel seltener seinen finsteren Blick aufgesetzt. Und alle waren zu ihr gekommen und hatten sie zum Abschied umarmt, so, als gehörte sie zur Familie.
Mel stellte fest, dass sie sich bereits darauf freute, Jack wieder für sich allein zu haben, aber es sollte anders kommen. Jack war seltsam missmutig und wirkte irgendwie abwesend. Er hob sie nicht mehr hoch und bedrängte sie auch nicht mehr, ihn zu küssen. Und für jemanden, der sich dagegen gewehrt und darüber geklagt hatte, wie unklug das sei, war sie doch ganz schön enttäuscht und fühlte sich wie beraubt. Als sie ihn auf seine ungewohnte Laune ansprach, sagte er nur: „Es tut mir leid, Mel. Ich glaube, die Jungs haben mich erschöpft.“
Als sie mittags zum Essen in die Bar ging, erklärte ihr Preacher, dass Jack angeln sei. „Angeln?“, fragte sie. „Hat er davon nicht letzte Woche genug gehabt?“, worauf Preacher nur die Achseln zuckte.
Preacher wirkte nicht sonderlich erschöpft. Mit Hilfe von Ricky kümmerte er sich um die Bar, polierte die Gläser, servierte das Essen, half, die Tische zu bedienen, und spielte gelegentlich Kribbage. „Was ist los mit Jack?“, fragte Mel.
„Marines. Sie können einen ganz schön strapazieren“, antwortete er.
Vier Tage später, und eine Woche vor dem errechneten Termin, erhielt Mel den Anruf von der Patterson-Farm, dass es so weit
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