Neue Bündnisse
Wetter würde es noch schlimmer sein. Und die Umrundung des Kabalgrabens bedeutete eine Strecke von zweihundert Meilen, um die Stadt zu erreichen, selbst wenn man die kürzesten Wege wählte, aber wenn die Seanchaner von der Halbinsel Arran vorwärts drängten, konnten sie die Grenze trotz des Sturmregens in zwei Wochen erreichen. Vielleicht früher. Es war besser, an einem Ort zu kämpfen, den er statt ihrer erwählte. Sein Finger umrundete die Südküste Altaras entlang der Venirberge, bis die Berge kurz vor Ebou Dar in Hügel übergingen. Fünfhundert Mann hier, tausend dort. Eine quälende Perlenkette zog sich wie Tropfen die Berge entlang. Ein scharfer Vorstoß könnte sie nach Ebou Dar zurückwerfen, könnte sie vielleicht sogar dort einschließen, während sie herauszufinden versuchten, was er vorhatte. Oder...
»Da war noch etwas«, sagte Morr plötzlich hastig. »Man sprach über irgendeine geheime Waffe der Aes Sedai. Ich fand heraus, wo sie benutzt wurde, wenige Meilen von der Stadt entfernt. Der Boden war ganz verbrannt, in der Mitte völlig versengt, auf gut dreihundert oder mehr Schritt Breite, und zudem fand ich noch zerstörte Obstgärten vor. Der Sand war zu glasartigen Platten verschmolzen. Dort war Saidin am schlimmsten.«
Torval winkte ab. »Vielleicht waren Aes Sedai in der Nähe, als die Stadt fiel. Oder vielleicht haben die Seanchaner das selbst getan. Eine Schwester mit einem Angreal könnte...«
Rand unterbrach ihn. »Was meint Ihr damit, daß Saidin dort am schlimmsten war?« Dashiva regte sich, betrachtete Morr auf seltsame Weise und streckte dann die Hand aus, als wollte er den jungen Mann festhalten. Rand hielt ihn schroff davon ab. »Was meint Ihr damit, Morr?«
Morr sah ihn mit fest geschlossenem Mund an und fuhr mit dem Daumen sein Schwertheft hinauf und hinab. Der Zorn in ihm schien ausbrechen zu wollen. Tatsächlich waren jetzt Schweißperlen auf sein Gesicht getreten. »Saidin war ... seltsam«, sagte er rauh. Die Worte drangen abgehackt hervor. »Dort war es am schlimmsten. Ich konnte ... es spüren ... in der Luft überall um mich herum, aber es war auch überall um Ebou Dar seltsam und sogar noch hundert Meilen entfernt. Ich mußte dagegen ankämpfen. Es war nicht wie sonst. Es war anders. Als lebe es. Manchmal ...
manchmal tat es nicht, was ich wollte. Manchmal ... tat es etwas anderes. Das tat es. Ich bin nicht verrückt! Es war so!« Der Wind frischte auf, heulte einen Moment, ließ die Zeltwände erbeben und peitschen, und Morr verfiel in Schweigen. Narishmas Glocken klangen, als er ruckartig den Kopf wandte, und verstummten dann wieder.
»Das ist unmöglich«, murrte Dashiva sehr leise in das Schweigen. »Es ist einfach unmöglich.«
»Wer weiß, was möglich ist?« fragte Rand. »Ich nicht! Wißt Ihr es?« Dashiva hob überrascht den Kopf, aber Rand wandte sich, jetzt freundlicher, erneut an Morr. »Macht Euch keine Sorgen, Mann.« Er sprach nicht sanft - das konnte er nicht -, aber ermutigend, wie er hoffte. Er dachte an seine Aufgabe, seine Verantwortung. »Ihr werdet mit mir in die Letzte Schlacht ziehen. Das verspreche ich Euch.«
Der junge Mann ruckte und rieb sich mit der Hand über das Gesicht, als sei er überrascht, daß es feucht war, aber er sah dabei Torval an, der vollkommen still geworden war. Wußte Morr von dem Wein? Es war eine Gnade, wenn man die Wahlmöglichkeiten bedachte. Eine geringe, bittere Gnade.
Rand nahm Taims Schreiben auf, faltete das Blatt und steckte es in seine Jackentasche. Bereits einer von Fünfzig wahnsinnig, und es sollten noch weitere folgen. War Morr der nächste? Dashiva war gewiß nahe daran. Hopwils Blicke erhielten eine neue Bedeutung, und Narishmas gewohnte Ruhe ebenfalls. Wahnsinn bedeutete nicht immer, daß man sich über Spinnen aufregte. Er hatte einst dort vorsichtig nachgefragt, wo er sicher war, ehrliche Antworten zu bekommen, wie man Saidin vom Makel reinwaschen könnte. Doch er erhielt ein Rätsel als Antwort. Herid Fei hatte behauptet, das Rätsel lege »verläßliche Grundsätze, sowohl philosophischer als auch naturphilosophischer Art«, fest, aber er hatte keine Möglichkeit gesehen, es auf das vorliegende Problem anzuwenden. Mußte Fei vielleicht sterben, weil er das Rätsel gelöst hatte? Rand besaß einen Hinweis auf die Antwort, oder zumindest glaubte er es, eine Vermutung, die aber auch unheilvoll in die falsche Richtung weisen konnte. Hinweise und Rätsel waren keine Antworten, und doch mußte er etwas
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