Neue Bündnisse
weitaus zuviel grüne Stickerei über dem Busen auf, und ihre Handschuhe hätten einem Kesselflicker zur Ehre gereicht. Sie betrachtete Egwene von Kopf bis Fuß und schürzte mit ebenso skeptischer Miene die Lippen, wie sie es bereits bei Siuan getan hatte. »Eure Bemerkung über das Novizinnenbuch...«, sagte sie plötzlich. »Habt Ihr damit jede Frau absolut jeden Alters gemeint? Jede kann also eine Aes Sedai werden?«
Eine Frage, die Egwene am Herzen lag, und eine Antwort, die sie gern gegeben hätte - zusammen mit einer Ohrfeige für den zweifelnden Unterton -, aber genau in diesem Moment gab eine Lücke im Strom der Menschen nahe der Rückwand des Pavillons den Blick auf Talmanes frei. Im Gespräch mit Pelivar! Sie standen steif da, Bulldoggen, die zwar noch nicht die Zähne bleckten, aber wachsam darauf achteten, daß niemand nahe genug kam, um sie belauschen zu können. »Jede Frau absolut jeden Alters, Tochter«, bestätigte sie wie abwesend. Pelivar?
»Danke«, sagte Segan und fügte halbherzig hinzu: »Mutter.« Sie deutete einen kaum erkennbaren Hofknicks an, bevor sie davoneilte. Egwene blickte ihr hinterher. Nun, es war zumindest ein Anfang.
Siuan schnaubte. »Es macht mir nichts aus, wenn es sein muß auch in der Dunkelheit die Drachenfinger zu umsegeln«, murrte sie leise. »Wir haben darüber gesprochen. Wir haben die Gefahren erwogen und haben anscheinend keine Wahl. Aber Ihr müßt ein Feuer an Deck entfachen, um Aufmerksamkeit zu erwecken. Es genügt Euch nicht, einen kleinen Fisch ins Netz zu bekommen. Es muß ein großer Fisch sein. Es genügt Euch nicht, kleine Hindernisse zu bewältigen...«
Egwene unterbrach sie. »Siuan, ich denke, ich sollte Lord Bryne erzählen, daß Ihr bis über beide Ohren in ihn verliebt seid. Es ist nur gerecht, daß er es erfährt, meint Ihr nicht?« Siuans blaue Augen traten hervor, und sie bewegte die Lippen, aber es erklang nur eine Art Kollern. Egwene tätschelte ihre Schulter. »Ihr seid eine Aes Sedai, Siuan. Gebt Euch Mühe, zumindest ein wenig Würde zu bewahren. Und versucht, etwas über jene Schwestern in Andor herauszufinden.« Die Menge teilte sich erneut Sie sah Talmanes an einem anderen Fleck, aber noch immer am Rande des Pavillons. Jetzt war er allein.
Sie ging bemüht beiläufig in seine Richtung, ließ Siuan noch immer sprachlos zurück. Ein hübscher, dunkelhaariger Diener, dessen bauschige Tuchhose seine wohlgerundeten Waden nicht ganz verbergen konnte, bot Siuan auf einem Tablett einen dampfenden Becher an. Weitere Diener gingen mit Silbertabletts umher. Erfrischungen wurden angeboten, wenn auch ein wenig verspätet. Und es war viel zu spät für den Friedenskuß. Sie hörte nicht, was Siuan sagte, als sie den Becher an sich riß, aber aus der Art, wie der Bursche zusammenzuckte und sich hastig verbeugte, war zu entnehmen, daß er ihre schlechte Laune zumindest bemerkt hatte. Egwene seufzte.
Talmanes stand mit verschränkten Armen da und beobachtete das Geschehen mit einem belustigten Lächeln, das seine Augen nicht mit einschloß. Er schien vor Tatendrang zu sprühen, aber seine Augen wirkten müde. Er verbeugte sich respektvoll, als sie herannahte, doch klang seine Stimme leicht verzerrt, als er sagte: »Ihr habt heute eine Grenze verändert.« Er schloß seinen Umhang gegen den eisigen Wind. »Sie war immer ... fließend ... die Grenze zwischen Andor und Murandy, gleichgültig, was die Landkarten besagen, aber Andor hat niemals zuvor so viele Leute gen Süden gesandt. Außer natürlich im Aiel-Krieg und im Weißmäntel-Krieg, aber damals sind sie nur hindurchgezogen. Wenn sie erst einmal einen Monat hier sind, werden neue Landkarten eine neue Grenze aufzeigen. Seht Euch die Kriecherei der Murandianer an, die um Pelivar und seine Begleiter ebenso herumscharwenzeln wie um die Schwestern. Sie hoffen, für einen Tag neue Freunde zu gewinnen.«
Egwene, die ihre sorgfältige Beobachtung jener, die sie vielleicht beobachteten, zu verbergen suchte, schien es, als ob alle Adligen, Murandianer und Andoraner gleichermaßen, auf die Sitzenden fixiert waren. Sie hatte unzweifelhaft wichtigere Angelegenheiten im Kopf als Grenzen. Für sie wichtige Angelegenheiten, wenn auch nicht für die Adligen. Bis auf wenige Momente wurde keine der Sitzenden über ihre Kopfe hinweg sichtbar. Nur Halima und Siuan schienen sie zu bemerken, und ein Geschnatter wie das einer Herde aufgeregter Gänse erfüllte den Pavillon. Sie senkte die Stimme und wählte ihre Worte
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