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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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hat sie rausgeholt. Wollen wir hier anfangen?«
    Unsere Schritte hallten auf dem Holzfußboden, und wir folgten ihm in ein Zimmer, das sich über die ganze Tiefe des Hauses erstreckte. Nach vorn raus gab es ein hübsches Erkerfenster, und nach hinten führte eine Flügeltür in den Garten, der mit altmodischen Stockrosen und Rankgewächsen überwuchert war. An der rechten Wand war ein offener Kamin mit Kacheln im Stil von William Morris.
    »Original«, sagte Greg und klopfte gegen die Kacheln.
    In der Luft hing ein schwacher Duft von Pfeifentabak, und ich stellte mir Kinder in Knöpfstiefeln vor, die kandierte Äpfel aßen und auf hölzernen Schaukelpferden spielten.
    Auf der anderen Seite des Flurs war ein gemütlicher, fast quadratischer Raum, auch mit einem Erkerfenster und einem offenen Kamin.
    »Das könnte dein Arbeitszimmer werden«, sagte Anton. »Lily ist Schriftstellerin«, erklärte er Greg.
    »Aha?«, sagte der höflich. »Habe ich von Ihnen gehört?«
    »Lily Wright«, sagte ich verlegen.
    »Aha«, sagte er noch einmal, und es war offensichtlich, dass er meinen Namen noch nie gehört hatte. »Glückwunsch.«
    Die Dielen beim Fenster knarrten, und plötzlich musste ich daran denken, dass eine Amerikanerin ein Haus im viktorianischen Stil hatte bauen wollen und bereit war, einen hohen Preis für authentisch knarrende Holzfußböden zu bezahlen. Und hier waren sie, ein fester Bestandteil des Hauses.
    »Ich könnte meinen Schreibtisch hierhin stellen«, sagte ich und strich über die Wand. Ein paar Krümel Putz lösten sich und fielen mir in die Hand.
    »Es ist ja klar, dass was gemacht werden muss an dem Haus«, sagte Greg. »Müsste Spaß machen, es wieder herzurichten.«
    »Bestimmt«, sagte ich und meinte es aufrichtig.
    Die Küche war ein düsteres Verlies. »Wir könnten einen Durchbruch machen«, murmelte ich und hatte keine Ahnung, wovon ich sprach, fand aber den Ausdruck passend.
    Ich konnte es alles sehen. Meine neue, durchgebrochene Küche wäre viermal so groß wie die alte und hätte Terrakottafliesen in einem warmen Rotton. Zu jeder Tageszeit würde eine große Kasserolle auf einem hellblauen Aga-Herd stehen, und falls unerwartet Besuch käme, würde ich barfuß zur Tür gehen, die Gäste herzlich begrüßen, sie zum Essen einladen und ihnen meinen selbst gemachen Holunderwein anbieten. Ich wäre eine zweite Nigella Lawson.
    Wenn Menschen in Nöten waren, würden sie plötzlich auf den hübschen Fliesen vor der Haustür stehen, weil sie wüssten, dass sie bei mir einen Zufluchtsort fänden. Ich würde ihnen eine Mohairdecke umlegen und sie zu dem Sofa in dem Erkerfenster führen, von wo aus sie dem sanften Wind in den Ästen zusehen könnten, und ich würde ihnen Kamillentee in hübschen Porzellantassen mit ebenso hübschen, aber nicht dazugehörigen Untertellern bringen, bis ihre Krise überstanden war.
    Greg führt uns zur Treppe, und als ich mich bückte, um Ema auf den Arm zu nehmen, bemerkte ich stecknadelgroße Löcher im Holz. Holzwürmer. Wie charmant. Wie … wie … authentisch. Es wäre unmöglich, in diesem Haus je unglücklich zu sein.
    Die drei Schlafzimmer waren eins reizender als das andere. Ich war verzückt von der Vorstellung von schmiedeeisernen Bettgestellen, bestickten Überdecken, Schaukelstühlen und sich in der Sommerbrise bauschenden Vorhängen.
    Ich warf einen kurzen Blick in das enge, vorsintflutliche Badezimmer und murmelte wieder etwas von Durchbruch.
    Dann gingen wir mit Greg nach unten, wo er uns den Höhepunkt des Anwesens zeigte: den bezaubernd überwucherten Garten. Das Grundstück war von Bäumen umstanden, die eine Hufeisenform bildeten, und sie und das Gebüsch verdeckten die Häuser und Hochhäuser der Außenwelt.
    »Schwarze Johannisbeersträucher, Himbeerranken«, erklärte Greg. »Ein Apfelbaum. Im Sommer haben Sie Obst.«
    Ich musste mich an Anton festhalten.
    Kurz vor dem Zaun stand ein altmodisches Gewächshaus mit Tomatenstauden, davor eine Gartenbank, die nach Süden ausgerichtet war; sie sah aus wie eine alte Parkbank mit weiß lackierten Latten und schmiedeeisernen Beinen.
    »Man vergisst ganz, dass man in London ist«, sagte Greg.
    »Mmmm«, stimmte ich ihm zu und hatte keine Mühe, das Kreischen einer Autoalarmanlage in der nächsten Straße zu überhören. Ich sah mich in dem Garten sitzen und in ein hübsches Notizbuch schreiben, mit einem Korb frisch gepflückter Himbeeren neben mir. In der Sonne würde mein Haar blond und lockig leuchten,

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