Neue Schuhe zum Dessert
ist?«
»Doch, schon …«
»Na, also.«
Anton riss den Brief auf. Er las ihn leise, aber die Stimmung im Zimmer verdunkelte sich.
»Was steht drin?«
»Also gut«, sagte er. »Das ist der Statikerbericht von der Bank.«
»Und?«
»Sie haben Holzschwamm gefunden. Ziemlich umfassend, steht hier.«
Vor Enttäuschung sackte ich in mich zusammen, Tränen schossen mir in die Augen. Unser schönes, schönes Haus. Was würde jetzt aus den Himbeerbüschen, der Couch im Erkerfenster, aus mir in fließenden Gewändern mit dem Korb am Arm? Was würde aus den Abendessen mit Gästen, zu denen ich Nicky und Simon, Mikey und Ciara, Viz, Baz und Jez und all die anderen einladen würde, die Anton und mich eingeladen hatten, deren Gastfreundschaft wir aber nie erwidern konnten, weil unsere Wohnung viel zu klein war?
Ich hörte mich sagen: »Damit ist es vorbei.«
»Das ist es nicht, Lily. Lass mich nicht im Stich, Holzschwamm kann man reparieren! Eine Kleinigkeit. Sie geben uns trotzdem das Darlehen, nur weniger. Dreihundertachtzig.«
»Und woher kriegen wir die zwanzigtausend?«
»Beruhige dich, Lily, die brauchen wir gar nicht. Wir gehen zu den Verkäufern und bieten zwanzigtausend weniger.«
»Dann müssen wir immer noch den Holzschwamm beseitigen! Ich wiederhole: Woher kriegen wir zwanzigtausend Pfund?«
»Auf gar keinen Fall kostet es zwanzigtausend, um so ein bisschen Trockenschwamm in Ordnung zu bringen. Vielleicht zwei Mille.«
»Aber die von der Bank sagen …«
»Die Bank muss sich nur absichern. Was sagst du?«
»Also gut«, sagte ich. »Tu, was du nicht lassen kannst.«
Zu meiner großen Überraschung akzeptierten die Verkäufer die Preisreduzierung. Wie viele Zeichen brauchte ich noch, um zu verstehen, dass das Haus mir gehören sollte? Dennoch kriegte ich noch einmal richtig Angst, als Anton sagte: »Sollen wir es kaufen?«, und ich antwortete: »Nein, ich habe zu viel Angst.«
»Gut.«
»Gut?« Ich sah ihn überrascht an.
»Gut, du hast zu viel Angst. Dann lassen wir es.«
»Das ist kein psychologischer Trick?«
Er schüttelte den Kopf. »Kein Trick. Ich möchte, dass du glücklich bist.«
Ich sah ihn misstrauisch an. Ich war mir fast sicher, dass ich ihm glauben konnte. »Gut, dann überzeuge mich.« Er zögerte. »Meinst du das ernst?«
»Schnell, Anton, bevor ich es mir anders überlege, überrede mich.«
»Also …« Er zählte alle Gründe auf, warum wir das Haus kaufen sollten: Wir würden bald Tantiemen erhalten, meine Karriere machte Riesensprünge, und im November würde ich einen enormen Vorschuss bekommen, die Bank – die immer übervorsichtig war – hatte uns grünes Licht gegeben; das Haus zu kaufen war besser, als etwas Kleineres zu kaufen und dann, nach einem Jahr, wieder umzuziehen: Wir wollten nicht einfach ein Haus, wir liebten dieses Haus, es entsprach uns. Und schließlich: »Wenn es alles nichts wird, dann verkaufen wir das Haus und kriegen mehr Geld, als wir dafür ausgeben haben.«
»Und wenn der Wert sinkt und wir am Schluss viel mehr Geld schulden?«
»Ein Haus wie das, in dieser Gegend? Natürlich steigt der Wert, warte nur ab. Wir können nicht dabei verlieren. Es kann nicht schief gehen.«
Teil Zwei
GEMMA
1
Es war achtzig Tage her, seit Dad uns verlassen hatte. Beziehungsweise noch nicht ganz drei Monate, und wenn ich es so sagte, klang es nicht ganz so schlimm. Eigentlich war nicht viel los, doch plötzlich passierten vier WICHTIGE Dinge, eins nach dem anderen.
Das erste war – Ende März fing die Sommerzeit an. Keine große Sache, ich weiß, aber Moment, das war nicht das Ding an sich, sondern nur der Auslöser. Also, die Uhren wurden umgestellt, und obwohl ich den größten Teil des Sonntags damit verbrachte, Mams Uhren umzustellen – die am Herd, die an der Mikrowelle, die am Videogerät, die am Telefon, die sieben Wand- und Standuhren und ihre Armbanduhr – wurde mir die Bedeutung erst am Montagnachmittag klar, als Andrea sich den Mantel anzog und sagte: »Na, ich gehe dann mal.« Draußen war heller Tag, deswegen sagte ich: »Es ist doch erst Nachmittag«, und sie antwortete: »Es ist zwanzig vor sechs.«
Plötzlich traf es mich wie ein Schlag, und vor Schreck blieb mir fast die Luft weg. Die Abende dehnten sich aus, zum Sommer hin – als Dad ausgezogen war, war es mitten im Winter. Wo war die Zeit geblieben? Ich musste ihn sehen. Es hatte nichts mit Mam zu tun, es hatte nur mit mir zu tun. Obwohl ich selten vor sieben das Büro
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