Neue Schuhe zum Dessert
Frauen im Raum, aber die leicht verrückten Typen stachen heraus. So war es die ganze Woche gewesen: Bei jeder Lesung hatten Zuhörer Attribute aus Mimis Medizin mitgebracht und versucht, eine Szene aus dem Buch zu inszenieren. Es mag undankbar klingen, aber ich wünschte, sie würden das lassen. Denn ich kam nicht umhin, mich zu fragen: Was habe ich mir da ausgedacht? (Außerdem lenkte es von Glasklar ab, von dem ich hoffte, dass die Leute es kaufen würden.)
Ich bemerkte ein erneutes rastloses Scharren und beschloss von meiner erhöhten Position auf dem Lesehocker aus, die Lesung um eine Seite abzukürzen: Ich hatte das fast jeden zweiten Abend gemacht, mir widerstrebte es zutiefst, die Qualen meiner Zuhörer angesichts ihrer offensichtlichen Langeweile zu verlängern.
»Caitriona ging zum Telefon. Der Anruf war seit langem fällig …« Ich machte eine kleine Pause, damit die Zuhörer wussten, dass ich am Schluss war, sagte dann: »Danke« und legte das Buch auf das Lesepult. Es gab höflichen Applaus, und als er verstummte, fragte ich: »Möchte jemand eine Frage stellen?«
Eine Frau sprang auf. Bitte nicht, bat ich innerlich, bitte stellen Sie die Frage nicht. Aber natürlich stellte sie sie. An jedem Abend, bei jeder Lesung, war dies die erste Frage.
»Werden Sie wieder ein Buch schreiben, das an Mimis Medizin anschließt?«
Die Unterstützung für diese Frage war im Raum fast greifbar. Ein vielfältiges Nicken. Das Gleiche wollte ich auch fragen , hing in der Luft wie ein Flüstern. Gute Frage. Ja, eine sehr gute Frage.
»Nein«, sagte ich.
»Oohhhh«, ging es durch den Raum. Es war nicht nur Enttäuschung, sondern Entrüstung, fast Zorn. In der ersten Reihe wurden die selbst gemachten Zauberstäbe heftig geschwenkt, und hinten im Raum nahmen drei »Hexen« ihre spitzen Hüte ab und hielten sie vor die Brust, als wollten sie den Toten ihre Ehre erweisen.
»Es ist so«, sagte ich verzweifelt und versuchte zu erklären, dass Mimis Medizin eine einmalige Sache gewesen war, eine Reaktion auf den Überfall.
»Sie könnten sich doch noch einmal überfallen lassen«, sagte eine Frau. Im Scherz natürlich. Glaube ich.
»Hahaha«, sagte ich mit einem starren Lächeln auf meinem Gesicht. »Weitere Fragen?« Ich legte meine Hand auf mein Exemplar von Glasklar , um sie daran zu erinnern, weswegen wir hier waren, aber es hatte keinen Zweck. Alle weiteren Fragen bezogen sich auf Mimis Medizin .
»Ist Mimi eine Version von Ihnen selbst?«
»Gibt es die Stadt in dem Buch wirklich?«
»Hatten Sie Erfahrung mit weißer Magie, bevor Sie das Buch geschrieben haben?«
Ich versuchte freundliche Antworten zu geben, aber inzwischen hasste ich das Buch, und das spiegelte sich in meinen Reaktionen wider. Dann ging es ans Signieren, erfreulicherweise reichte die Schlange bis ans hintere Ende des Ladens. Doch statt die schönen Hardcover-Exemplare von Glasklar zu kaufen, holten die Frauen alte, zerfledderte Exemplare von Mimis Medizin aus ihren Handtaschen, die aussahen, als hätte eine wildernde Meute von Cockerspaniels damit gespielt. Mir war leicht übel.
Dennoch ging es mir nahe, mit welcher Wärme jede Einzelne, die zu dem Tisch kam, mit mir sprach.
»Danke, dass Sie Mimis Medizin geschrieben haben.«
»Es ist mein Lieblingsbuch.«
»Es hat mir das Leben gerettet.«
»Ich habe es bestimmt zehnmal gelesen.«
»Es ist besser als jedes Antidepressivum.«
»Besser als Schokolade.«
»Ich habe mich so gefreut, Sie kennen zu lernen.«
Ich bekam lauter Geschenke: selbst gebastelte Zauberstäbe, selbst gemachtes Fondant, Zettel mit Zaubersprüchen, eine Einladung zu einer Druidenhochzeit. Die meisten wollten sich mit mir fotografieren lassen, wie damals bei Miranda England.
Wenn meine Karriere nicht davon abgehinge, dass Glasklar sich verkaufte, hätte ich mich in der Freundlichkeit der Menschen und in dem Bewusstsein sonnen können, dass ich etwas geschaffen hatte, das so viele Menschen tief berührt hatte. Aber Tatsache war, dass meine Karriere sehr wohl von dem Erfolg von Glasklar abhing, und von den achtzig Zuhörern, die zu der Lesung gekommen waren, kauften nur zwei das Buch. Am Abend zuvor, in Newcastle, waren drei Exemplare verkauft worden, davor in Leeds eins, ebenso in Manchester, und in Birmingham, wo ich am ersten Abend gelesen hatte, war kein einziges Buch verkauft worden. Das war nicht gut. Und die Nachrichten von der Bestsellerliste waren auch nicht gut.
Auf dem Weg ins Hotel betete ich mit aller
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