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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Magenschmerzen, wenn ich daran dachte, was da alles vorgetäuscht wurde – dem Drehbuchschreiber wurde versichert, dass die Schauspielerin verpflichtet sei, der Schauspielerin wurde versichert, die Finanzierung des Stückes sei geklärt, und der TV-Gesellschaft wurde versichert, dass Drehbuch und Regisseur zugesagt hätten – aber Anton meinte, das sei alles nötig.
    »Niemand will als Erster ja sagen. Wenn einer eine Zusage macht, dann denken die anderen, dass es was Gutes sein muss.«
    Obwohl Anton und Mikey unermüdlich waren, hatte keins ihrer Projekte bisher das Stadium erreicht, wo es in die Produktion ging.
    »Es dauert nicht mehr lange«, versprach Anton, wenn er abends nach Hause kam.
    »Eines Tages haben wir das richtige Drehbuch, die richtigen Schauspieler, und die Finanzierung fällt uns in den Schoß. Und danach werden die Leute Schlange stehen, um mit Eye-Kon zusammenzuarbeiten.«
    Unterdessen verbrachte ich viele Stunden des Tages allein, und eines Tages, als die Einsamkeit zu groß wurde, ging ich nach oben zu Irina. Sie machte die Tür auf, und ich sah hinter ihr einen Stapel Banknoten auf dem Tisch. Sie zählte ihr Geld.
    »Zahltag«, sagte sie. »Komm. Guck zu.«
    »Danke«, sagte ich und schlüpfte in die Wohnung.
    Nachdem ich ihre frischen Banknoten bewundert hatte, schüttete ich ihr mein Herz aus über meine höllischen Gedanken. Irina hörte aufmerksam zu, und als ich zu einem Ende kam, murmelte sie: »Du bist sehr unglicklich«, und sah mich mit neuem Respekt an.
     
    Erst nachdem ich alle anderen Ablenkungen ausgeschöpft hatte, stellte ich meinen Computer an und suchte Trost in meinem Buch. Fünf Jahre lang hatte ich an einem Roman gearbeitet, in dem ich meine Erfahrungen in der PR-Branche in Irland verarbeitete. Ich hatte ihm den Titel Glasklar gegeben, und die Handlung ging so: Ein Chemiekonzern vergiftet die Luft in einer kleinen Gemeinde, eine PR-Frau (eine hübschere, durchsetzungsfähigere Version meiner selbst mit dichterem Haar) setzt alles auf eine Karte, läutet die Alarmglocken, gibt wichtige Informationen an die Leute in der Stadt und tut all die mutigen Dinge, von denen ich mir wünschte, ich hätte sie im wirklichen Leben getan.
    In den vergangenen vier Jahren hatte ich das Manuskript, auf Drängen von begeisterten Freunden, an verschiedene Literaturagenturen geschickt, von denen drei es gelesen und Änderungsvorgeschläge gemacht hatten. Aber selbst nachdem ich das Buch gemäß ihren Vorschlägen umgeschrieben hatte, sagten sie, es sei für sie »nicht der richtige Zeitpunkt«.
    Dessen ungeachtet hatte ich mir ein Fünkchen Hoffnung erhalten, dass Glasklar nicht völlig unbrauchbar war, und befasste mich ab und zu damit. Doch an dem Tag konnte ich nichts über Kinder schreiben, die mit Missbildungen zur Welt kamen, oder über gesunde Familienväter, die plötzlich an Lungenkrebs erkrankten. Trotzdem schaltete ich den Computer nicht sofort aus. Ich blieb davor sitzen, ich suchte irgendwas. Ich schrieb »Lily Wright«, und dann »Anton Carolan« und »Baby Carolan«, und darunter: »Und sie lebten alle glücklich zusammen, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.«
    Diese Wörter erfüllten mich mit einem unerwarteten Wohlgefühl, sodass ich sie gleich noch einmal schrieb. Als ich sie fünfmal geschrieben hatte, stellte ich meinen Stuhl gerade, richtete mich vor dem Computer auf und legte meine Hände auf die Tastatur wie ein Konzertpianist, der im Begriff ist, den »Hummelflug« virtuos zu spielen.
    Ich würde eine Geschichte schreiben, in der alle glücklich bis an ihr Ende lebten, in einer fiktiven Welt, wo gute Dinge passierten und die Menschen freundlich waren. Die Vision von Hoffnung war nicht nur für mich, sie war auch für mein Kind, was noch viel wichtiger war. Ich konnte dieses kleine Wesen nicht in die Welt setzen und ihm meine Verzweiflung aufbürden. Dieses neue Leben brauchte Hoffnung.
    Also fing ich an. Ich klapperte mit den Tasten und schrieb genau das, was ich wollte, mir war es gleichgültig, ob es süßlich und sentimental klang. Ich dachte nicht daran, dass andere Menschen das irgendwann lesen würden, ich schrieb für mich und mein Kind. Als ich an den Punkt kam, wo meine Heldin Mimi Gestalt annehmen musste, machte ich keinerlei Abstriche. Sie war weise, freundlich, erdverbunden und hatte magische Kräfte  – sie war eine Mischung aus verschiedenen Menschen: Sie hatte Mums Weisheit, Dads Großzügigkeit, Vivs (zweite Frau meines

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