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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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darauf wetten, dass sie ein Transvestit ist.«
    Sie blieb stehen und sah mich, die ich schwankend vor ihr stand, fragend an.
    »Ich bin überfallen worden.«
    »Überfallen?«
    »Von einem Mann mit einem Hund.«
    »Mann mit Hund?«
    »Er ist in diese Richtung abgehauen.« Teiggesicht war inzwischen verschwunden.
    »War Geld darinnen?«
    »Ein paar Pfund. Zwei oder drei.«
    »So wenig? Gott sei Dank.«
    Sie war nicht gerade voll überströmender Anteilnahme, aber sie lieferte mich bei Anton ab. Der konnte mich, trotz all seiner Bemühungen, nicht trösten. Ich wusste, was passieren würde: Ich würde eine Fehlgeburt haben. Das war die göttliche Rache. Die Strafe für meine Sündhaftigkeit, weil ich Anton Gemma weggenommen hatte.
    Anton bestand darauf, einen Arzt zu holen, der mir immer wieder versicherte, dass die Chance einer Fehlgeburt äußerst gering sei.
    »Aber ich bin ein schlechter Mensch.«
    »So funktioniert das nicht.«
    »Ich habe es verdient, das Baby zu verlieren.«
    »Aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass Sie es verlieren werden.«
    Als der Arzt wieder ging, tauchte jemand anders bei uns in der Tür auf: Irina, mit einer Hand voll Make-up-Proben, weil mir meine Sachen gestohlen worden waren. »Es sind die neuesten Farben. Ich arbeite am Clinique-Stand.«
    Wie aus einem Munde riefen Anton und ich: »Ach, Sie arbeiten in einer Kosmetikabteilung!«
    Irina sah uns mit unterkühlter Überlegenheit an. »Sie dachten, ich bin Prostituierte.«
    »Ja.« Dann sahen wir uns erschrocken an. Ehrlichkeit ist nicht immer der beste Weg, aber Irina schien das nicht zu kümmern.
     
    Am nächsten Morgen ging Anton mit mir zur Polizeiwache (damals nannten wir sie noch Bullenrevier), um den Überfall zu melden.
    Wir setzten uns in den Warteraum und sahen den Beamten zu, die rein- und rausgingen. Wir hofften, dass sie sich gegenseitig »Guv« nennen würden.
    »Wir haben vierundzwanzig Stunden, um den Fall zu lösen …«, murmelte Anton.
    »… der Staatsanwalt sitzt uns im Nacken …«
    »… wir müssen mit Höchstgeschwindigkeit durch diese Straße rasen, in der lauter leere Pappkartons herumfliegen …«
    Dann summten wir leise die Erkennungsmelodie von Starsky & Hutch , bis man uns aufrief.
    Mein kleines Verbrechen war völlig unwichtig, aber ich wurde zu einem jungen Beamten geschickt, der tapfer ein ausführliches Protokoll aufnahm. Ich gab eine Beschreibung von Teiggesicht und lieferte eine Liste all der Dinge, die in meiner Handtasche waren und die mir einfielen. Neben meinem Portemonnaie, dem Hausschlüssel und meinem Handy trug ich den üblichen Krimskrams mit mir herum. Taschentücher (benutzt), Stifte (klecksend), Rougestift (krümelnd), Haarspray (um mein Haar zu festigen und die kahle Stelle zu verdecken), vier, vielleicht auch fünf Starbursts.
    »Starbursts?«, hakte der Beamte interessiert nach und dachte  – bestimmt – DROGEN!
    »Fruchtbonbons«, erklärte Anton.
    »Ach so.« Enttäuscht. Er legte den Stift weg. »Warum passiert das nur immer wieder?«
    »Was?«
    »Konnte es nicht bei Marathon bleiben? Warum mussten sie daraus Snickers machen? Und warum musste aus Jif Cif werden?«
    »Globalisierung«, sagte Anton höflich.
    »Das meinen die also, wenn sie von Globalisierung sprechen?« Er seufzte und nahm den Stift wieder in die Hand. »Kein Wunder, dass es überall Widerstände dagegen gibt. Gut, sie müssen Ihre Bankkarte und Ihre Kreditkarte sperren lassen.«
    Anton und ich schwiegen (das war unser gutes Recht). Damals waren wir so arm, dass wir die Karten nicht sperren zu lassen brauchten. Die Bank hatte das bereits für uns erledigt. Und unsere Cashpoint-Karte gleich mit.
     
    Kurz danach hatte Irinia mal einen Tag frei und lud mich ein, zu ihr nach oben zu kommen. Kaum saß ich, fing sie an, eine Zigarette nach der anderen zu rauchen und mir zufrieden zu erzählen, wie »unglicklich« ihr Leben in Moskau gewesen war. »Ich hatte einen Mann, ich liebte ihn nicht. Ich war unglicklich. Ich nahm einen anderen Mann, er liebte mich nicht. Ich war unglicklich. Männer!«
    Jetzt hatte sie einen englischen Freund, der sie auch ›unglicklich‹ machte. Anscheinend war er »sehr eifersichtig«.
    »Warum sind Sie mit ihm zusammen, wenn er Sie unglücklich macht?«
    »Weil er gut im Sex ist.« Dann zuckte sie die Schultern. »Liebe ist immer unglicklich.« Wenn ich die versteckte Botschaft richtig verstand, dann liebte sie am meisten die Kosmetika, die sie verkaufte. Da lag ihre Leidenschaft,

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