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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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und das alles in forschem Tempo, das keine Hindernisse duldete.
    Ich hingegen gehöre eher zu den Schlenderern. Einmal hörte ich, wie mein ehemaliger Chef in Dublin sagte, ich sei eine, die »den Bäumen und den Blumen zunickte«. Das war als Beleidigung gemeint und hatte die gewünschte Wirkung: Ich fühlte mich beleidigt. Ich interessierte mich nicht übermäßig für Bäume und Blumen, aber andererseits begriff ich das Leben auch nicht als Tretmühle, in der man fortwährend nach vorn fliehen musste, damit man nicht rückwärts weggesaugt und aus dem Spiel gerissen wurde.
    An dem Abend des Überfalls war ich auf dem Weg von der Bushaltestelle nach Hause. Ich war bei einer Besprechung mit Mitarbeitern einer Supermarktkette gewesen, die eine Spinatwerbung planten, und ich sollte den Text für den Handzettel verfassen. Man weiß, was da so drauf steht. (›Wussten Sie eigentlich, dass Spinat mehr Eisen hat als ein Pfund rohe Leber?‹) Dann eine Liste aller Spinatliebhaber – Popeye natürlich und … ehm … Und dann neue und aufregende Zubereitungstipps. Wie wäre es mit einem Spinateis?
    Irgendjemand musste ja die Texte für die Handzettel schreiben, und obwohl ich nicht stolz auf diese Arbeit war, fand ich sie weniger beschämend als das, was ich in Dublin gemacht hatte.
    Es war kalt und dunkel, und ich wollte schnell nach Hause. Nicht nur, weil ich Anton sehen wollte, der seit sechs Monaten, nämlich seit dem Tag, als wir von dem fürchterlichen Besuch bei Gemma zurückgekommen waren, bei mir in meinem Loch wohnte, sondern weil ich im dritten Monat schwanger war und dringend aufs Klo musste. Wie alles andere, was Anton und mich betraf, war auch die Schwangerschaft nicht geplant. Wir waren schrecklich arm, ich verdiente ein bisschen Geld, aber Anton verdiente noch gar nichts, und wir hatten keine Vorstellung, wie wir uns ein Baby leisten sollten. Doch das schien nicht wichtig. Nie zuvor war ich so glücklich gewesen. Auch nicht so beschämt.
    Der Drang, zur Toilette zu gehen, wuchs, und ich beschleunigte meine Schritte, als plötzlich meine Schulter nach hinten gerissen wurde: Jemand hatte den Schulterriemen meiner Handtasche gepackt und heftig daran gezogen. Wie eine Blöde lächelte ich zunächst, denn ich dachte, es wäre jemand, den ich kannte und der sich einfach etwas grober als normal zu erkennen gab.
    Aber ich hatte den jungen Mann an meiner Schulter noch nie gesehen. Er war pummelig und hatte ein teigiges, schweißglänzendes Gesicht. Zwei Dinge wurden mir gleichzeitig bewusst: Ich wurde überfallen, und ich wurde von einem Mann überfallen, der aussah, als wäre er aus rohem Brotteig geformt.
    Es war alles verkehrt. Er war nicht dürr und ausgemergelt, wie Leute, die einen überfallen, sein sollten. (Irgendwie bin ich puristisch.) Und er hatte weder ein Messer noch eine Spritze.
    Stattdessen hatte er einen Hund. Einen Pitbullterrier mit dünnen Beinen und sehr bedrohlich. Die Kette war um die gepolsterte Hand des Teiggesichtmannes gewickelt, und der Hund zerrte daran und knurrte mich leise an. Wenn der Mann die Kette nur um eine Umdrehung verlängerte, würde der Hund mich zerfleischen. Ich starrte in die rosinenartigen Augen von Teiggesicht, und ohne dass ein Wort gesprochen worden wäre, gab ich ihm meine Handtasche.
    Er nahm sie, stopfte sie sich in die Jacke und – zum grausigem Abschluss der Tat – stieß mich zu Boden. Das, dachte ich, war’s dann, aber das Schlimmste stand mir noch bevor. Ich lag auf dem feuchten Gehweg, und der Hund trampelte über mich, über meinen drei Monate schwangeren Bauch hinweg. Sein geballtes Gewicht grub sich in meinen Körper, ich spürte seinen fleischigen Atem warm in meinem Gesicht.
    Zwei, drei Sekunden, und es war vorbei, aber auch jetzt, wenn ich daran denke, zieht sich mir alles vor Ekel zusammen.
    Der Mann und der Hund machten sich aus dem Staub, und ich, benommen und verwirrt, wie ich war, rappelte mich auf. In dem Moment kam Irina auf mich zu, die Metallabsätze ihrer hochhackigen Schuhe – der Albtraum aller Räuber und Diebe – klapperten laut auf dem Gehweg. Sie wohnte in der Wohnung über mir, und obwohl wir uns manchmal im Treppenhaus zunickten, hatten wir nie miteinander gesprochen. Ich wusste nur, dass sie eine hoch gewachsene, gut aussehende Russin war. Sie trug so viel Make-up, dass Anton und ich viele Stunden glückliche Spekulationen über sie anstellten. Ich dachte, sie könnte Prostituierte sein, aber Anton sagte: »Ich würde eher

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