Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
Vom Netzwerk:
die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen gemäß Artikel 4 (3) des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund meiner besonderen Situation als Angehöriger der Bundeswehr bitte ich um beschleunigtes Verfahren. Darüber hinaus bitte ich darum, mich bis zur Verhandlung vom Dienst an der Waffe zu befreien.« Er konnte den Text auswendig, und während er auf den Vorgesetzten, wer auch immer das diesmal sein mochte, der dort unter dem Strommast auf ihn wartete, weiter zurobbte, murmelte er diesen Text vor sich hin, das beruhigte und war auf jeden Fall besser, als an Wasser zu denken, fand er, obwohl ihn das auch nicht der Antwort näher brachte, warum er den Zettel nicht schon am Montagmorgen abgegeben hatte, eigentlich hatte er das tun wollen, gleich nach dem Frühstück hatte er zum Spieß gehen und das Ding abgeben wollen, damit gleich mal klar und amtlich war, daß er den Kriegsdienst verweigerte, gleich nach dem Frühstück am Montag, so war der Plan gewesen, und es hatte, daran erinnerte er sich genau, beim Frühstück die Wahl zwischen lauwarmem Kaffee und laufwarmem Pfefferminztee gegeben, ich hätte den Pfefferminztee nehmen sollen, dachte er und schob den Stahlhelm nach oben, der dehydriert nicht so, ein Pfefferminztee wäre auch jetzt genau das Richtige, ich hätte schon damals, am Montag, mehr davon trinken sollen, dachte er, aber er hatte am Montagmorgen den Kaffee genommen, das rächt sich jetzt, dachte er, auch wenn es schon Mittwoch ist, egal, man hätte die ganzen Tage mehr trinken sollen, dachte er. Jedenfalls hatte er den Zettel am Montagmorgen nach dem Frühstück nicht abgegeben, und danach, beim Antreten am Montagmorgen, hatten sie erfahren, daß sie Montag wie Dienstag auf den Schießplatz gehen würden, und daß es danach eine Sechsundreißig-stundenübung zur »Vertiefung und Festigung Ihrer Ausbildung« geben würde, wie der Kompaniechef es bei seiner Ansprache am Montagmorgen nach dem Frühstück formuliert hatte, und wahrscheinlich, dachte er jetzt, während er nur noch etwa zwanzig Meter von dem Vorgesetzten, der seine Meldung entgegennehmen und ihm neue Befehle geben sollte, entfernt war, war es die Sache mit dem Schießplatz gewesen, die einen zurückschrecken ließ, dachte er, das ist heikel mit dem Schießen, überhaupt mit dem Gewehr, dachte er, da kommt noch einiges an Problemen auf einen zu, wenn der Zettel erst einmal abgegeben ist. So gesehen war es sicher richtig, den Zettel erst einmal nicht abzugeben, dachte er, wer weiß, was man da in den letzten Tagen sonst schon alles hätte falsch machen können. Er hatte bisher noch nicht die Zeit gefunden, das Buch >Kriegsdienstverweigerung leicht ge-macht< gründlich zu studieren, das Martin Klapp ihm nach einigem Bitten und Betteln am Wochenende schließlich geliehen hatte und aus dem er immerhin den Text, der auf dem Zettel in seiner linken Brusttasche stand, sorgfältig abgetippt hatte, aber so viel hatte er verstanden, daß die Sache mit dem Gewehr heikel war, man sollte es, so hatte es im Kapitel >Verweigern beim Bund< geheißen, nur unter Protest in die Hand nehmen, am besten gar nicht, das würde die Sache noch glaubwürdiger machen, hieß es in dem Buch, und wahrscheinlich, dachte er jetzt, als er nur noch etwa fünf Meter von dem Mann, von dem er in diesem Moment nur die Beine sah, entfernt war, hatte ich bloß Angst, mich bei den Schießübungen zum Affen zu machen, dachte er, aber Angst ist kein guter Ratgeber, dachte er, man hätte den Zettel trotzdem gleich am Montag nach dem Frühstück abgeben müssen, man hätte das gleich konsequent durchziehen müssen, dachte er, aber jetzt war erst einmal Sechsund-reißigstundenübung, es war Mittwoch am frühen Nachmittag, und erst am Donnerstagabend würde die Sache vorbei sein, noch über vierundzwanzig Stunden, dachte Frank, und dem da werde ich ja wohl den Schrieb kaum übergeben können, dachte er mit Blick auf den nun schon recht nahen Vorgesetzten, das wäre albern, das kommt dann zu sehr rüber wie eine Affekthandlung, dachte er und stand auf, um seine Meldung zu machen.
    »Runter mit Ihnen«, sagte der Mann, der auf ihn am Fuße des Strommastes wartete, gelangweilt. »Bis hierher wird geglitten. Wenn Sie da vorne aufstehen, sind Sie eigentlich schon tot.« Von links aus dem Wald war wieder das laute Brüllen zu hören, irgend jemand brüllte dort in regelmäßigen Abständen herum, vielleicht heißt die Station dort Angebrüllt werden ohne

Weitere Kostenlose Bücher