Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
Vom Netzwerk:
gab.
    »Langsam, langsam«, sagte er, während sie immer mehr Seil nachgaben, bis sie schließlich das Ende in der Hand hielten.
    »Das reicht nicht«, sagte Ralf Müller, »da fehlen noch zwei Meter oder so.« »Echt?« sagte Martin Klapp. Er beugte sich ebenfalls aus dem Fenster und ließ dabei das Seil los. Frank hatte damit nicht gerechnet, das Ende des Seils glitt ihm durch die Hände und verschwand durch das Fenster. Sie hörten einen Rums, und dann nahmen Ralf Müller und Martin Klapp ihre Köpfe zurück, und Martin schloß schnell das Fenster. Dann rannte er zum Lichtschalter und schaltete das Licht aus. Sehr unauffällig, dachte Frank.
    »Mann, das hat aber gerumst«, sagte Martin Klapp in das Dunkel hinein. Ralf Müller kicherte.
    Sie standen eine Weile still im Dunkeln und lauschten, ob von unten irgend etwas gerufen wurde. Es war nichts zu hören.
    »Was ist denn jetzt mit diesem Buch wegen der Verweigerung?« fragte Frank in die Stille hinein.
    »Pst!« sagte Martin Klapp.
    »Ich brauch das«, sagte Frank. »Ich brauch das dringend. Noch vor Montag.«
    »Pst!«, sagte Martin. »Ruhe jetzt, sonst erwischen die uns.«
    Ralf Müller kicherte immer noch.
    »Jungs«, sagte Achim leise im Dunkeln, »ich sag’s euch nur ungern, aber irgendwie bin ich auch ganz froh, daß ich hier rauskomme.«
22. NIEDRIGSTE GANGART
    Es war heiß, und der Stahlhelm, der immer zu fest oder zu locker saß, rutschte Frank über die Augen, als er in der niedrigsten Gangart am Rande des Kornfeldes entlangkroch, auf den Posten zu, der in etwa 100 Meter Entfernung am Fuße eines Strommastes auf ihn wartete. Das Gewehr schubberte neben ihm durch den Dreck, und die große Kampftasche auf seinem Rücken schlenkerte nach links und rechts, aber das alles störte ihn nicht mehr, nur der Durst, von dem er seit Stunden gequält wurde, zählte noch, seine Feldflasche war schon lange leer, und Fahnenjunker Tietz hatte an der Station >Feuern auf ein Kommando< Frank und einigen anderen auf die Bitte nach Wasser hin erklärt, daß man umso mehr schwitze, je mehr man trinke, und daß sie sich ihr Wasser natürlich auch besser hätten einteilen können. Neubarth, der sich immer mehr zum Klugscheißer entwik-kelte, wie Frank fand, hatte daraufhin zu bedenken gegeben, daß bei nur zehnprozentiger Flüssigkeitsunterversorgung die Leistungsfähigkeit eines Menschen um fünfzig Prozent nachließe, weshalb er dringend dafür plädiert hatte, im Interesse der Schlagkraft der Bundeswehr ein Auge zuzudrücken, aber Fahnenjunker Tietz hatte sich darauf nicht eingelassen. »Je mehr Sie reden, Neubarth«, hatte er gesagt, »desto mehr Wasser verlieren Sie«, und Frank war froh, daß es mal einen gab, der Neubarth das sagte, denn so recht Neubarth auch hatte, so untauglich war nach Franks Meinung sein Argument. Wenn man erst einmal so argumentiert, dann sitzt man schon in der Falle, dachte er, während er sich weiter am Feldrand voranschlängelte, wenn man mit der Schlagkraft der Bundeswehr argumentiert, dann sitzt man schon mit ihnen im gleichen Boot, und wenn man für so ein Scheißgerede mit Wasser belohnt wird, dann sind wir bald alle zahm wie Kaninchen, dachte er, aber er dachte dies nur mit halbem Herzen, es interessierte ihn eigentlich nicht, er dachte nur deshalb wieder und wieder über Neubarth und Fahnenjunker Tietz nach, um nicht an seinen Durst denken zu müssen, vor allem nicht an Wasser, man darf auf keinen Fall an Wasser denken, dachte er, oder wenn, dann sollte man eigentlich aufstehen und weggehen, dachte er, und selbst wenn sie einen dafür in den Knast stecken, dachte er, hätte man ja wohl mindestens einen Wasserhahn in der Zelle, oder einen Klospülkasten, aus dem man trinken kann, und damit dachte er wieder an Wasser, und weil es, wie er fand, nur bedrückend und geradezu gefährlich war, an Wasser zu denken, dachte er über den Zettel nach und darüber, warum der Zettel noch immer in seiner linken Brusttasche steckte, statt bereits auf dem Schreibtisch des Kompaniechefs zu liegen, ich hätte ihn abgeben sollen, dachte er, während links aus dem Wald das Geknattere von Fahnenjunker Tietz’ >Feuern-auf-ein-Kommando<-Station ertönte und gleich darauf dieses seltsame Gebrüll, was mag da los sein, dachte Frank, egal, dachte er, ich hätte den Zettel abgeben sollen, gleich Montag früh, alles andere ist Unsinn, dachte er, alles andere ist nur unnötige Verzögerung.
    Auf dem Zettel in seiner rechten Brusttasche stand: »Hiermit beantrage ich

Weitere Kostenlose Bücher