Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
du hast keine Ahnung, wie das beim Bund ist. Scheiß auf die Linie, was geht mich die Scheißlinie an? Bin ich einer von euren Genossen?«
»Ex-Genossen«, warf Ralf Müller ein. »Wir sind ja eher ExGenossen, und die anderen dann ja wohl auch.«
»Ja, aber trotzdem würde das bei uns nichts bringen«, sagte Martin Klapp, »das nimmt uns doch keiner ab. Als Zeugen würden wir keine zwei Minuten standhalten beim Kreuzverhör.«
»Kreuzverhör? Wieso Kreuzverhör? Ich habe nichts von Kreuzverhör gesagt, ich habe gesagt, schriftliche Stellungnahme, und ich brauche so eine Scheißstellungnahme, sonst kann ich das gleich vergessen. Und nicht nur eine, ich brauche viele. Von meinen Eltern brauche ich auch was und von einem Pastor eigentlich auch, sonst kann ich das gleich vergessen.«
»Pastor, das ist doch gut«, sagte Martin Klapp. »Das bringt’s
garantiert.«
»Wen soll ich denn da nehmen? Den Standortpfarrer, oder was?«
»Geh doch zu Pastor Schmidt«, sagte Ralf Müller.
»Wieso Pastor Schmidt?« Pastor Schmidt war der Pastor in der Kirche in der Adam-Stegerwald-Straße, soviel wußte Frank, aber viel mehr wußte er nicht über ihn. »Ich kenn den doch gar nicht. Ich kann doch nicht einfach zu einem Pastor gehen, den ich gar nicht kenne, und den fragen, ob der mir einen Schrieb da macht, der kennt mich ja auch nicht, da müßte er ja lügen. Ich meine, man ist nicht mal konfirmiert, dann tritt man auch noch aus der Kirche aus und dann da hingehen und den Pastor anbetteln, das geht doch nicht!«
»Pastor Schmidt ist in Ordnung, das ist ein linker Pastor, der macht das gerne.«
»Der ist gut, bei dem waren wir in der Konfirmation«, sagte Martin Klapp.
»Ich weiß, daß ihr konfirmiert seid«, sagte Frank boshaft. »Erst konfirmieren lassen und dann die Revolution machen mit dem Geld von Oma.«
»Ich kenn den sogar noch besser«, sagte Ralf Müller unbeirrt, »ich war doch bei dem im Dritte-Welt-Gesprächskreis.«
»Genau, der Dritte-Welt-Gesprächskreis«, sagte Martin Klapp zu Frank, »Ralf war im Dritte-Welt-Gesprächskreis und ich in der Drogen-Arbeitsgruppe, da sind wir damals reingegangen, wir dachten, da sollte man mal politisch arbeiten und so, agitieren, was weiß ich.«
»Das war sinnlos«, sagte Ralf Müller, »ich meine, Pastor Schmidt ist ein linker Pastor, klar, aber was heißt das schon? Die sind ja nicht wirklich revolutionär, eher so pastorenmäßig eben. Aber Verweigerung und so, da macht der bestimmt was. Der hat bestimmt nichts für den Bund übrig, ich meine, wie diese linken Pfarrer eben so sind.«
»Darum geht’s doch gar nicht«, sagte Frank. »Kann ja sein, daß der das machen würde, aber darum geht’s doch gar nicht.«
»Worum dann?«
»Daß das schäbig wäre, wenn man erst aus der Kirche austritt und dann zu einem Pfarrer geht, das geht doch nicht.«
»Was hast du denn geschrieben?« fragte Martin Klapp. »Hast du deine Begründung schon fertig?«
»Nein, die mach ich morgen abend. Im Augenblick kümmere ich mich erst mal darum, wer mir jetzt eine Zeugenaussage macht«, sagte Frank.
»Du solltest erst mal deinen eigenen Kram schreiben«, sagte Martin Klapp, »dann kann der, der eine Zeugenaussage dazu macht, das genau abgleichen.«
»Das kann schon sein«, sagte Frank genervt, »aber im Augenblick liegt das Problem eher darin, daß du mir schon mal keine Stellungnahme schreiben willst, und das nur, weil du im KBW warst, ich betone: warst, und deshalb behauptest, ein Gewissen zu haben, mit dem du das nicht vereinbaren kannst, und das ist wirklich die bescheuertste Ausrede, die ich jemals gehört habe.«
»Wieso bescheuert?«
»Das muß ich euch nicht erklären, Martin«, sagte Frank, der sich jetzt in eine ziemliche Verbitterung hineinsteigerte, »das wißt ihr selber ganz genau.«
»Ist doch nicht meine Schuld, daß du beim Bund bist«, sagte Martin Klapp.
»Pastor Schmidt macht das garantiert«, sagte Ralf Müller und schraubte gleich zwei Persiko-Fläschchen auf einmal auf. »Mann«, sagte er, »mit was die diese kleinen Dinger alles vollmachen, ich meine, was es da so alles gibt … «
Frank war drauf und dran, es aufzugeben. Das ist ihr eigentlicher Trick bei solchen Debatten, dachte er, sie machen einen schwindelig, und wenn nicht mit Minischnapsflaschen, dann damit, daß sie dauernd das Thema wechseln.
»Das reicht doch«, sagte Martin Klapp.
»Nein, das reicht nicht«, sagte Frank. Er hatte jetzt die Schnauze voll, Schluß mit der Blödelei, dachte
Weitere Kostenlose Bücher