Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
bloß zu faul.«
»Nein, echt mal, ich meine, du bist da Vertrauensmann und so, da hast du doch eine politische Verantwortung, und überhaupt kann ich das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, da muß man da so Revi- oder Jusokram schreiben mit gewaltlos und antimilitaristisch und so, das ist doch überhaupt nicht mein Ding, das nehmen die mir doch nie ab.«
»Die kennen dich doch gar nicht.«
»Wer weiß, was die da alles nachprüfen bei den Leuten, die da so Aussagen schreiben und so. Die haben doch alles in der Hand.«
»Martin, das ist Quatsch.«
»Nein, ehrlich!« Martin Klapp schaute ihn harmlos und treuherzig an. Er guckt wie einer, dachte Frank, der niemals einem Ex-Genossen und Mitbewohner die Schnapsflaschensammlung stehlen würde. »Ich meine, willst du wirklich, daß ich da schriftlich eine Lüge abgebe?«
»Wieso Lüge? Sogar Harry hat neulich gesagt, ich wäre mehr so der Hippietyp.«
»Für Harry ist schon einer ein Hippie, der beim Prügeln keinen Schlagring benutzt«, sagte Martin Klapp. »Und wenn Harry so schlau ist, dann laß doch Harry das Ding schreiben.«
»Das wäre eine Idee«, sagte Frank bitter. »Und weißt du was?« fügte er hinzu und beugte sich ein bißchen vor, um die Beschriftungen der übrigen Miniaturflaschen, die ihm plötzlich ziemlich verschwommen vorkamen, zu studieren, »der Witz ist, daß Harry das sogar für mich tun würde.«
»Harry? Daß ich nicht lache.«
»Doch, würde er tun«, beharrte Frank. »Harry, egal wie lange man ihn nicht gesehen hat, und egal was er sonst so macht, ist wenigstens ein Kumpel. Harry ist ein Kumpel, der würde einen nicht im Stich lassen.« Das müßte eigentlich wirken, dachte Frank, deutlicher kann man es nicht sagen.
In diesem Moment kam Ralf Müller in das Zimmer.
»Da, Ralf!«
»Was ist mit Ralf?« »Was ist mit mir?« fragte Ralf Müller.
»Der kann das viel besser«, sagte Martin Klapp.
»Was?« fragte Ralf Müller. Und als nicht sofort eine Antwort kam, fragte er: »Was ist denn da bei Wolli schon wieder los?«
»Was soll da schon los sein«, sagte Martin Klapp. »So wie neulich, nur noch schlimmer.« Er wandte sich an Frank. »Neulich haben wir uns hier mit der Germanistik-Arbeitsgruppe getroffen, wegen Goethe und so, da ging überhaupt nichts mehr, die sind dauernd hier rumgestiefelt, und dann diese Scheißmusik, wir mußten alle ins Eiscafe gehen.«
»Das ist schlimm«, sagte Frank. »Aber schlimm ist es auch, wenn einen die Freunde im Stich lassen, das ist auch schlimm.«
»Was ist das denn? Sind das die Dinger von Achim?« fragte Ralf Müller und zeigte auf die Miniaturflaschen. »Ich will auch was ab. Ich dachte, die machen wir zusammen auf«, sagte er zu Martin Klapp vorwurfsvoll. »Das war so vereinbart.«
Er setzte sich zu ihnen auf den Fußboden.
»Frankie braucht einen, der ihm eine Zeugenaussage schreibt wegen seiner Verweigerung«, sagte Martin Klapp.
»Was für eine Zeugenaussage?« fragte Ralf Müller.
Frank erklärte es ihm mit knappen Worten.
»Das kannst du doch machen, du bist doch selbst im Zivildienst und so«, sagte Martin Klapp, »da bist du doch genau der richtige, Ralf!«
»Ich hab da keine Ahnung von«, sagte Ralf Müller. »Ich hab doch damals auf Postkarte verweigert, ich hab da überhaupt keine Ahnung von.«
»Mehr als ich«, sagte Martin Klapp. »Immer noch mehr als ich. Ich hab überhaupt nicht verweigert.«
»Mußtest du ja auch nicht«, sagte Frank giftig. Er fühlte sich plötzlich sehr allein. Man liest immer von alten Leuten, die einsam sind, dachte er, immer ist die Rede von alten Leuten, wenn es um Einsamkeit geht, und die werden dann von ihren Kindern ins Altersheim gesteckt, dachte er, dabei ist eine Kaserne auch nicht besser, und dann hat man keine Freunde, die einem helfen, da wieder rauszukommen! Er blickte von Martin Klapp zu Ralf Müller und zurück und sagte gar nichts mehr. Dann öffnete er eine Flasche Kümmerling. Kümmerling, dachte er bitter, Kümmerling! Das paßt.
»Schade, daß Achim nicht mehr da ist«, sagte er. »Der würde mir helfen.«
»Helfen würden wir alle«, sagte Martin Klapp, »das ist doch klar, daß wir helfen würden, aber wir sind nicht die Richtigen für sowas, außerdem würde Achim das garantiert nicht machen.«
»Würde er doch, schwör ich dir.«
»Nix, das ist doch gegen die Linie, da hast du doch überhaupt keine Ahnung von.«
»Eben«, sagte Frank. »Da habe ich keine Ahnung von, und da will ich auch keine Ahnung von haben. Und
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