Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
krank!«
Frank trank den Elften Finger und dann noch schnell, um den Geschmack loszuwerden, einen Underberg und beschloß dabei, in Zukunft alles, was ihm wirklich am Herzen lag, im Wertfach seines Spinds in der Kaserne aufzubewahren, die Wohnung schien ihm langsam ein wenig unsicher. Er mußte nur noch darüber nachdenken, was es war, das ihm wirklich am Herzen lag. Im Moment fiel ihm außer einer alten Ausgabe von Mommsens Römischer Geschichte, an der er sehr hing, nichts ein.
»Noch mal wegen der Zeugenaussage«, ließ er nicht locker, »das muß man genau besprechen, weil ich ja auch eine schriftliche Begründung schreibe, das mache ich morgen abend, und dann sollte man das ein bißchen vergleichen und angleichen und so.«
»Ich weiß nicht«, sagte Martin. Er reichte Frank einen Boonekamp und nahm sich selbst ein Getränk, das Juckreiz hieß und auf dem Etikett eine Frau zeigte, die sich am Hintern kratzte. »Guck dir das doch mal an, und so einer will die Revolution machen. Ich meine, der geht dafür sogar ins Ruhrgebiet. Kein Wunder, daß das nichts wird mit der Revolution.«
»Vielleicht hat er die Sammlung irgendwie geerbt oder so«, schlug Frank vor.
»Glaub ich nicht, daß man sowas vererbt kriegt. Sowas trinkt man doch schnell noch aus, bevor man stirbt, das ist doch viel zu peinlich, um sowas zu vererben.«
»Was sind das überhaupt für Medikamente«, sagte Frank und nahm eine der Schachteln in die Hand.
»Das ist auch noch sowas!« sagte Martin Klapp. »Guck mal hier!« Er hielt einen einzelnen Streifen mit zehn blauen Tabletten hoch. »Rate mal, was das ist!«
»Keine Ahnung«, sagte Frank, der nicht wollte, daß Martin Klapp vom Thema ablenkte. »Jedenfalls … «
»Mandrax! Das ist Mandrax!«
Frank nahm ihm den Streifen ab. Auf der Rückseite stand Sopor. »Das heißt nicht Mandrax, das heißt Sopor«, sagte Frank.
»Das ist dasselbe«, sagte Martin Klapp. »Das ist Me-thaqualon.«
»Woher weißt du denn sowas?«
»Das weiß man doch. Ich war doch mal in der DrogenArbeitsgruppe in der Kirche.«
»Du warst in der Drogen-Arbeitsgruppe?«
»Ja, wir hatten das damals aufgeteilt, Ralf mußte zur DritteWelt-Gruppe, und ich mußte zur Drogen-Arbeitsgruppe.«
»Wolli hat erzählt, daß er einen kennt, der auf Mandrax im Why Not gepennt hat, und dann hat dem einer in die Eier getreten, und der hat nichts gemerkt.«
»Das kann sogar sein. Das ist Methaqualon, das ist voll der Hammer, das Zeug, das haut einen Elefanten um, vor allem mit Alkohol, dann fällst du stumpf um.«
»Ach Quatsch!«
»Doch, das sind Schlafmittel, und mit Alkohol zusammen hauen die dich stumpf um!«
»Schlafmittel?«
»Ja, Schlafmittel. Das Zeug ist gefährlich, ich sag dir das. Die nehmen das, und dann machen die den Papst.«
»Die machen was?«
»Den Papst machen, so nennen die das.«
»Was hat denn der Papst damit zu tun?«
»Das ist wegen dem neuen Papst, der küßt doch immer die
Erde.«
»Und sowas lernt ihr alles im kirchlichen Arbeitskreis?«
»Nein, das mit dem Papst hat Wolli mir erzählt.«
»Was Wolli immer alles weiß … «
»Nein, das stimmt, der hat so Punkfreunde, die nehmen das. Ich wette, ich könnte jetzt da rübergehen und denen das Zeug verkaufen.«
»Schon klar«, sagte Frank. »Hier, nimm noch sowas hier!« Er nahm irgendeine Miniflasche, Titti Fritti stand darauf, und hielt sie Martin Klapp hin. »Titti Fritti«, sagte Frank, »das wäre doch vielleicht was für dich.«
»Hör bloß auf, und sowas war in der Bezirksleitung«, sagte Martin Klapp und schraubte die Flasche auf. »Titti Fritti, nicht zu fassen.«
»Jedenfalls muß man das genau absprechen mit den Aussagen zur Verweigerung«, wechselte Frank das Thema, »sonst widersprechen die sich vielleicht, und dann gute Nacht, Kameraden.«
»Nee, ich hab jetzt noch mal darüber nachgedacht, das bringt nichts, wenn ich da als Zeuge auftrete«, sagte Martin Klapp, »das wäre ganz falsch. In mehrfacher Hinsicht.«
»Wieso?«
»Naja, eigentlich bin ich doch gegen Kriegsdienstverweigerung, ich meine, wir waren doch immer der Meinung, daß man lieber zum Bund gehen und da politisch arbeiten sollte.«
Frank nahm einen kleinen Persiko, während Martin Klapp sexthematisch weitermachte mit einer Flasche Feuchte Pflaume.
»Erzähl keinen Quatsch, Martin«, sagte Frank gereizt. Er hatte keine Lust auf diesen Blödsinn. »Du bist untauglich, und ausgetreten bist du auch, und ich habe mit dem KBW sowieso nichts zu tun. Du bist doch
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