Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
Vom Netzwerk:
Treppen hoch zur Straße stieg, und es ist auf jeden Fall richtig, Wolli und seine fiesen Freunde aufzusuchen, dachte er, bei denen ist alles egal, und genau das braucht man jetzt. Auf dem Sielwall und überhaupt im ganzen Viertel war jetzt viel los, freudig erregt liefen die Leute auf der Suche nach dem Wochenende durch die warme Freitagnacht, darunter viele Fußballfans, die vom Osterdeich her in das Viertel strömten und dabei allerhand Dinge, den SV Werder und Eintracht Braunschweig betreffend, teils singend, teils gesprochen zu verkünden hatten. Frank ging zum Gyros-Imbiß, kaufte einige Dosen Bier und lief den Sielwall hoch an die Weser.
    »He, Frankie«, rief Wolli. Wolli hockte inmitten einer größeren Ansammlung von Punks, die teils sitzend, teils liegend auf die nächtliche Weser hinausstarrten, hinüber zu den Bootsvereinen auf der anderen Seite oder was immer sonst es war, was sie dort interessierte, Schiffe fuhren jedenfalls keine. »Leute, das ist Frankie«, fügte Wolli hinzu, als Frank sich zwischen seinen Kumpels zu ihm durchbugsierte, eine Aussage, die keine großen Begeisterungsstürme auslöste, aber auch keine Feindseligkeit, und das ist doch auch schon mal was, dachte Frank. Er ließ sich neben Wolli auf den Rasen fallen und packte seine Tüte aus.
    »Oh Mann, Frankie hat Bier mitgebracht«, verbreitete Wolli auch gleich die frohe Kunde, und Frank sagte: »Kein großes Ding, Wolli«, in der Hoffnung, daß damit die Sache erledigt wäre, und das war sie dann auch sehr schnell, Frank konnte gerade noch ein Bier für sich greifen, bevor alle weg waren. Einer von Wollis Freunden steckte auch noch die Plastiktüte ein, und Frank nahm sich vor, ihn später, wenn er sich etwas eingewöhnt hatte, zu fragen, was er damit wollte.
    »Wie läuft’s denn so mit der Verweigerung«, sagte Wolli.
    »Gut«, sagte Frank.
    Und dann schwiegen sie erst einmal ein paar Minuten. Kurz bevor er einzuschlafen drohte, fiel Frank, der hier auf keinen Fall einschlafen wollte, gerade noch rechtzeitig das Päckchen Tabak ein, das er sich heute nachmittag, gleich nach seiner Ankunft im Ostertorviertel, an der Sielwallkreuzung gekauft hatte. Das schien ihm hier eine gute Gelegenheit zu sein, endlich mal eine Zigarette zu rauchen, also setzte er sich auf und drehte sich, so gut es eben ging, eine Zigarette.
    »Seit wann rauchst du denn?« sagte Wolli.
    »Nur so ein bißchen«, sagte Frank und nahm sich vor, ab jetzt öfter und regelmäßiger zu rauchen. Wenn man nicht aufpaßt, dann vergißt man es dauernd, und dann wird der Tabak trocken, dachte er, während er an der Zigarette oder dem, was eine Zigarette werden sollte, herumwerkelte.
    »Das kann man ja nicht mit angucken«, sagte Wolli, »gib mal her, ich mach dir das.«
    »Nein«, sagte Frank, »ich muß da selber durch.« Er brachte irgendwie die Zigarettenproduktion zu Ende, bekam von Wolli Feuer, rauchte, hustete ein bißchen, und damit waren schon wieder fünf Minuten herumgebracht. Wolli und seine Kumpel schwiegen nur und sahen auf den Fluß hinaus. Frank war von der Zigarette schwindelig, und er legte sich auf den Rücken und schaute in den Himmel, der von niedrig hängenden Wolken bedeckt war. Es war schwül und heiß, und er dachte, daß es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis es Regen geben würde. Dann schlief er ein.
    Er erwachte, als die ersten Tropfen auf sein Gesicht fielen. Er setzte sich benommen auf und blickte sich um und stellte fest, daß Wolli und seine Kameraden verschwunden waren, und Birgit war auch nicht aufgetaucht. Sie hatten ihn hier mutterseelenallein liegengelassen, und er fragte sich, ob man Wolli wegen so etwas böse sein sollte, aber dann entschied er sich dagegen, Wolli war einer, dem man wegen gar nichts böse sein konnte, fand er. Oben auf dem Deich liefen nur noch wenige Leute entlang, verspätete Fußballfans wohl, und sie hatten es eilig, sie sangen nicht mehr, und sie riefen nicht mehr, hasteten bloß die Straße entlang mit eingerollten Fahnen. Frank stand auf und wurde von einer Windböe erfaßt, die so unerwartet kam und so stark war, daß er fast umfiel. In der Ferne war erster Donner zu hören, und dann kam der Regen herunter, es goß wie aus Eimern, und noch bevor er richtig begriffen hatte, was los war, war Frank bis auf die Knochen durchnäßt. Er stieg den Deich hinauf und ging den Sielwall hinunter ins Ostertorviertel. Als er am Körnerwall vorbeikam, dachte er, daß er genausogut noch einmal ins Storyville gucken

Weitere Kostenlose Bücher