Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
Theorie«, sagte Frank. »Vielleicht solltest du auch mal eine Zeitlang zur Bundeswehr gehen, Heiner, damit du weißt, wie das da wirklich läuft. Das könnte ganz schön interessant für dich werden.«
»Oh nein«, wehrte Heiner lächelnd ab, »das kann ich mir schon vorstellen.«
»Einen Scheiß kannst du dir vorstellen«, sagte Frank. »Und darum laß ich mir auch nichts von Imperialismuskram und Aggression und so erzählen. Den Revi-Scheiß kenne ich schon.«
»Also echt mal, Frank, das tut doch jetzt nichts zur Sache«, mischte sich Martin Klapp vom Sofa aus ein. »Außerdem sehen das alle so. Nicht nur die Revis.« Neben ihm nuckelte Sibille immer weiter an dem kleinen Joint. Offensichtlich traute Martin sich nicht, ihn zurückzufordern. »Was redest du denn da, hör doch mal auf damit, das ist ja peinlich!«
»Wieso?« sagte Frank und nahm erst einmal einen ordentlichen Schluck Rotwein. »Das hab ich doch nicht erfunden, das Wort kenne ich doch eigentlich nur von dir.«
»Welches Wort?«
»Revi.«
»Ach so, aber das tut doch jetzt mal nichts zur Sache.«
»Was läuft hier eigentlich?« sagte Heiner zu Sibille, und nun klang er etwas ärgerlich. »Was sind das eigentlich für Leute hier, so Mao-Freaks, oder was?«
»Jedenfalls bin ich kein Revi«, sagte Frank. »Weißt du eigentlich, daß die in der DDR in den Kasernen eine Wochenendbereitschaft von neunzig Prozent oder so haben? Weißt du das?«
»Was soll das denn jetzt?«
»Naja, wenn du mir da was von der imperialistischen Aggression erzählst, dann solltest du das vielleicht wissen. Am Wochenende sind wir fast alle zu Hause bei der Nato. Aber die DDR-Leute und die Russen in der DDR, die hocken da immer noch in der Kaserne rum, jetzt auch, genau in diesem Moment sind die da zu neunzig Prozent anwesend und kraulen sich an den Eiern oder was weiß ich, was die da tun. Warum eigentlich? Die wissen doch, daß wir jetzt alle in der Kneipe sind, warum gehen die nicht auch einen trinken? Wenn die so sozialistisch-friedliebend sind und wir so imperialistischaggressiv?«
»Frankie«, rief Martin Klapp vom Sofa herüber. »Jetzt hör aber mal auf! Du redest ja wie einer von der Jungen Union!«
»Also Leute«, sagte Heiner, »auf sowas habe ich keinen Bock jetzt. Mir hat man gesagt, hier brauchte einer Hilfe beim Verweigern, und jetzt höre ich mir so Kalte-Kriegs-Propa-ganda an.«
»Willst du bestreiten, daß die jetzt alle noch in der Kaserne sind?« ließ Frank nicht locker. »Das sind die nämlich. Ich meine, das ist doch ein ganz einfaches logisches Problem: Wenn wir so aggressiv sind und die so friedliebend, wieso bin ich jetzt in der Kneipe und die Kameraden im Osten noch in der Kaserne?«
»Nee«, sagte Heiner und stand auf. »Nee! Da hab ich jetzt keinen Bock drauf, Sibille, auf so ‘ne Junge-Union-Scheiße hab ich jetzt keinen Bock drauf.«
»Sag nicht Junge Union zu mir, du Heini«, sagte Frank, »er darf das«, Frank zeigte auf Martin, »aber du doch nicht, Alter, du nicht!«
»Also für so einen häng ich mich nicht rein, Sibille. Tut mir leid, aber hier werde ich ja wohl wirklich nicht gebraucht.«
Und damit ging er. Und zwar gleich ganz aus der Kneipe, wie Frank feststellte, als er ihm nachschaute.
»Komischer Typ«, sagte er zu Sibille.
»Du bist ein totaler Paddel, Frankie«, rief Martin Klapp. »Den hat Sibille extra für dich aufgetrieben.«
»Seit wann hast du ein Herz für Revis, Martin?« sagte Frank.
»Was weißt du denn von Revis? Seit wann bist du denn auf Politik drauf?«
»Keine Ahnung«, sagte Frank. »Der Typ hat genervt. Außerdem hatte ich recht.«
»Der hätte dich Eins-A beraten können.«
»Ich wollte aber nicht beraten werden, jedenfalls nicht von so einem, von so einem schon mal gar nicht.«
»Nee, natürlich nicht. Der gute alte Frankie weiß natürlich sowieso immer schon alles, der braucht keine Beratung, Frankie ist ja immer oberschlau!«
»Man hätte mich ja wenigstens vorher fragen können«, sagte Frank, aber er sagte es nicht so sehr zu Martin als vielmehr zu Sibille, die einfach nur dasaß, vornübergebeugt auf dem Sofa, den Kopf auf die Hand gestützt, und ihn ansah. »Wenn ich eine Beratung gewollt hätte«, sagte er, »dann wäre ich schon selbst zu einer von diesen Organisationen gegangen, in die Sprechstunde da oder so.«
Sie sah ihn immer noch nur an.
»Oder hätte mir noch ein anderes Buch besorgt«, fügte Frank hinzu. Er wollte, daß sie jetzt auch mal was sagte, denn sosehr Heiner
Weitere Kostenlose Bücher