Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
wissen natürlich auch ganz genau, daß man darauf keine vernünftige Antwort geben kann.«
»Das weiß jeder. Das ist ja auch Schwachsinn.«
»Genau.«
»Pazifistisches Dilemma, toller Ausdruck, wirklich«, sagte Frank ironisch, aber Heiner nickte nur stolz. Heiner hat den tiefen Teller auch nicht erfunden, dachte Frank.
»Kein Schwein würde dabei zugucken«, sagte Frank, »wie nordkoreanische Soldaten die eigene Mutter vergewaltigen, wenn er gleichzeitig ein geladenes Maschinengewehr in der Hand hält.«
»Sag ich ja«, bekräftigte Heiner. »Außerdem ist das sowieso der Punkt, daß die den nordkoreanischen Soldaten einfach unterstellen, die würden Frauen vergewaltigen, das ist doch das Übelste dabei.«
»Das kann ich nicht beurteilen«, sagte Frank, um Heiner ein bißchen zu ärgern. »Was die nordkoreanischen Kameraden so tun und lassen, davon versteh ich nichts.«
Heiner stutzte und schaute Frank irritiert an. Dann schaute er zu Sibille. Sibille zuckte mit den Schultern.
»Naja«, sagte Heiner nachdenklich, »jedenfalls ist das der springende Punkt: Es ist eine Frage, auf die es keine klare Antwort gibt. Jedenfalls keine, mit der man bei der Verweigerung durchkommt.«
»Ich weiß«, sagte Frank. »Aber da gibt’s auch noch ein paar technische Probleme.«
»Wieso?«
»Man kann nicht einfach mit einem Maschinengewehr auf die Leute draufhalten, wenn die eigene Mutter dazwischen steht. Das streut doch viel zu sehr, da geht Mutter garantiert mit drauf.«
»Ah ja …«, sagte Heiner.
»Willst du auch mal ziehen?« fragte Martin Klapp dazwischen. Er hatte einen sehr kleinen Joint aus der Jacke gezogen und angezündet.
»Nein, ich nehme sowas nicht«, sagte Heiner.
Sibille schaute Martin Klapp an und dann Heiner, und dann sagte sie: »Ich aber.« Martin Klapp nahm schnell noch einen tiefen Zug und reichte ihr dann den Joint.
»Ist nur ‘n Sticki«, sagte er gepreßt.
»Das habe ich aber nicht gemeint«, kam Heiner derweil auf das Thema zurück und sah dabei Sibille an, die seinen Blick aber nicht erwiderte, sondern konzentriert an Martin Klapps Sticki sog. Heiner runzelte die Stirn.
»Was hast du nicht gemeint?« sagte Frank.
»Das mit dem technischen Problem. Das würde ich an deiner Stelle lieber draußen halten, wenn die dir mit sowas kommen.«
»Schon klar, ich bin ja nicht blöd.«
»Das habe ich auch nicht behauptet.«
»Würde ich dir auch nicht geraten haben«, sagte Frank und ahmte dabei im Tonfall ein bißchen Harry nach, wie er sich überhaupt wünschte, Harry wäre hier, mit Harry wäre alles lustiger, dachte er.
»Ich meine nur«, sagte Heiner, »das ist das, wo sich das meist entscheidet. Bei dieser Frage.«
»Bei welcher Frage denn jetzt noch mal?« stellte Frank sich blöd.
»Bei der mit den Koreanern. Ich meine, denen aus der DV Korea.«
»DV Korea?«
»Demokratische Volksrepublik.«
»Ach du Schande«, sagte Frank. »Und das mit der DV Korea, das liegt denen da so am Herzen?«
»Nein«, sagte Heiner, der ihn jetzt sehr zweifelnd anguckte, »das andere. Das mit dem pazifistischen Dilemma.«
»Ja, ja, das pazifistische Dilemma«, sagte Frank. »Stimmt. Das ist ja auch noch da. Das kriege ich auch noch hin. Ich habe da ein Buch, >Verweigern leicht gemacht< das ist ganz praktisch für solche Sachen.«
»Kenne ich«, sagte Heiner. »Das ist aber nicht gerade erste Wahl. Außerdem: Grau ist alle Theorie.«
»Das stimmt, daß alle Theorie grau ist«, sagte Frank, der nichts weniger leiden konnte als genau diese Art von Spruch. »Warum hast du eigentlich verweigert?«
»Ich? Wieso ich denn jetzt?« sagte Heiner.
»Nur mal so.«
»Naja, ich bin der Auffassung, daß die Bundeswehr nur ein Instrument der imperialistischen Aggression gegen die sozialistischen Länder ist«, sagte Heiner, und es klang ziemlich hölzern, fand Frank. »Aber das kann man bei der Verweigerung natürlich nicht sagen«, gab er zu.
»Nein«, sagte Frank, »das geht wohl nicht. Meine Gründe sind ein bißchen anders. Ich will bloß nicht gezwungen werden, etwas zu tun, was ich nicht tun will. Und ich will von niemandem irgendwelche Befehle entgegennehmen. Was natürlich auch nichts ist, mit dem man bei der Verhandlung durchkommt.«
»Das ist natürlich auch ein möglicher Grund«, sagte Heiner, »obwohl das theoretisch ein bißchen verkürzt ist, so mehr auf der individualistischen, anarchistischen Ebene. Im Grunde steckt ja mehr dahinter, politisch gesehen, bei der Bundeswehr.«
»Grau ist alle
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