Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
sich ergeben würden für den Betreffenden.«
»Das müssen Sie schon mir überlassen, wie … «
»Lassen Sie mich das mal eben versuchen«, unterbrach der FDP-Mann den Vorsitzenden. »Hören Sie«, sagte er zu Frank, »wir wollen Ihnen ja nichts, aber Sie müssen schon mal was dazu sagen, denn es geht hier ja auch um Verteidigung und um Grundsätze, und wenn Sie sagen, daß Sie das auf keinen Fall machen wollen, jemanden umbringen, dann ist so eine Situation natürlich prekär.«
»Ja«, sagte Frank, »prekär.«
»Da müssen Sie aber schon was zu sagen.«
»Inwiefern jetzt?«
»Wie Sie sich verhalten würden.«
»Ich wollte ja auch nicht sagen«, sagte Frank, »daß ich nichts tun würde, um meine Eltern zu retten, dies sei nur mal Ihnen gesagt«, sagte er zum schlechtgelaunten alten Mann, und der bärtige Mann nickte zufrieden und der FDP-Mann lächelte aufmunternd, »ich würde alles tun, um meine Eltern zu retten, aber es ist eben nicht möglich, daß ich da mit einem Gewehr stehe, weil ich das ja ablehne, also kann ich da ja nicht mit einem Gewehr stehen, das geht ja nicht.« Das reicht nicht, dachte Frank, so einfach wird’s nicht werden, aber es schafft Zeit, dachte er, wenigstens das. Man muß sie verwirren, dachte er, und dann den FDP-Mann überzeugen, oder umgekehrt, dachte er, denn er war schon selbst nicht mehr ganz bei sich, genauer gesagt war er den ganzen Morgen noch nicht ganz bei sich gewesen, er war schwer verkatert, sein Kopf schmerzte, sein Mund war trocken, er hatte am Abend zuvor mit Martin Klapp, Ralf Müller und Wolli auf gutes Gelingen bei der Verweigerung angestoßen, und das rächte sich jetzt. Aber vielleicht ist es auch von Vorteil, dachte er, man wirkt jämmerlicher, leidender, das muß nicht falsch sein.
»Natürlich«, sagte er, »Sie könnten jetzt sagen: Was soll’s, da könnte ja ein Gewehr herumliegen, und das könnte ich nehmen, um meine Mutter vor den Nordkoreanern zu retten, sicher, das könnte man natürlich hypothetisch annehmen, keine Frage, aber … «
Er verlor den Faden. Der bärtige Mann schaute etwas erschreckt, der FDP-Mann beugte sich dagegen interessiert vor. Zur anderen Seite schaute Frank schon gar nicht mehr, den schlechtgelaunten alten Mann hatte er aufgegeben.
»Ja?!« sagte der FDP-Mann aufmunternd.
»Ja was?« sagte Frank, und es klang um einiges patziger, als er es hatte sagen wollen.
»Und dann?«
»Naja, das geht natürlich nicht, denn ich kann das ja nicht, einfach ein Gewehr nehmen und damit jemanden töten, genau das kann ich ja nicht, deshalb bin ich ja hier.«
»Ob Sie aber zu Recht hier sind, das liegt ja gerade an uns herauszufinden«, dröhnte der schlechtgelaunte alte Mann von links, »daß Sie hier sind, ist kein Argument.«
»Das sagen Sie einfach so«, sagte Frank, »meinen Sie etwa, ich mache das hier zum Spaß?«
»Ha!« rief der alte Mann, »meinen Sie etwa, ich?«
»Na, na!« kam es vom Vorsitzenden beschwichtigend, »so kommen wir ja nicht weiter. Lassen wir das. Ich muß aber schon sagen, um die Frage zu beantworten, würde ich schon ein bißchen mehr von Ihnen erwarten, Herr Lehmann. Vergessen Sie nicht: Bei dem Szenario, das ich Ihnen beschrieben habe, geht es um etwas sehr Wichtiges, um das Leben Ihrer Eltern, es geht um Notwehr und Verteidigung und Verantwortung, alles Dinge, die auf die verschiedenste Weise das Gewissen berühren, habe ich recht?«
»Ja«, ließ sich der bärtige Mann ganz rechts vernehmen, »das schon, aber, und darüber haben wir schon öfter hier geredet, Herr Müller, so wie Sie die Frage jetzt gestellt haben, ist das nicht wirklich fair.«
»Warten Sie, vielleicht sollte ich das mal anders formulieren«, sagte der FDP-Mann.
»Nein, ich denke, man sollte das eigentlich so gar nicht mehr formulieren«, sagte der Bärtige. »Das ist doch Unsinn, das ist immer dasselbe, und was soll schon dabei rauskommen.«
Jetzt guckte der FDP-Mann den Bärtigen böse an, und das ließ Frank Übles befürchten. Wenn die beiden sich streiten, dachte er, dann stimmt der FDP-Mann anders als der Bärtige, und dann ist es verloren.
»Nun streiten Sie sich nicht«, rief er ohne nachzudenken dazwischen und merkte sogleich, daß das ein Weg sein konnte, den Friedensengel spielen, dachte er, das könnte es sein, alles ist jedenfalls besser als die Nordkoreaner, »streiten Sie sich doch bitte nicht«, wiederholte er in flehentlichem Tonfall, »nicht meinetwegen, bitte, das ist doch nun wirklich das Letzte, das ich
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