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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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mal ein bißchen überprüfen, nicht wahr?«
    Frank hätte ihn gerne darauf hingewiesen, daß Saulus immerhin ein Fanatiker gewesen sei, was man von ihm in Bezug auf die Bundeswehr nie hatte sagen können, aber es stand fest, daß Klugscheißerei ihn hier nicht weiterbringen würde, deshalb nickte er nur, so wie alle anderen im Raum jetzt auch nickten, was den Vorsitzenden, der sich wieder von links nach rechts umblickte, zu der zufriedenen Feststellung »Dann ist ja gut« veranlaßte.
    Dann machte er eine kurze Pause, während der er in den Unterlagen kramte.
    »Sie schreiben zum Beispiel hier, ich zitiere noch einmal … ja, hier ist es, Moment, >… bin ich auf dieser Schießübung und gerade dadurch, daß ich sah, daß die Gesichter auf den Zielscheiben gar keine Augen, Nasen, Münder oder Ohren …< - nein, das nicht, das andere hier, etwas später, >… seitdem fest davon überzeugt, daß ich nicht, nie und unter keinen Umständen in der Lage wäre, einen Menschen zu töten, aus was für einem Grund auch immer, daß mein Gewissen mir das nicht nur nicht erlauben, sondern tatsächlich auch in keinem Fall ermöglichen würde, es deshalb nicht nur moralisch für mich geboten ist, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, sondern auch gesellschaftlich ganz gewiß der …< — naja, das können wir uns erst einmal sparen, was da noch weiter kommt, jedenfalls …« — der Vorsitzende machte eine Pause und alle im Raum schienen geradezu gebannt an seinen Lippen zu hängen, der Vorsitzende aber sah sich hilfesuchend um und kramte in den Blättern, bevor er sich zusammenriß und den Faden wiederfand -»… jedenfalls will ich Ihnen jetzt mal eine Frage stellen, die sich bei so einer Aussage dann schon aufwirft, quasi von selbst, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Frank nickte, weil der Vorsitzende ihn erwartungsvoll anschaute. Der Mann mit dem Bart verdrehte unterdessen, Frank sah das aus den Augenwinkeln, die Augen, während der schlechtgelaunte alte Mann ganz links mit den Fingern der linken Hand an denen der rechten Hand spielte. Der FDP-Mann lächelte aufmunternd.
    »Wenn zum Beispiel«, sagte der Vorsitzende, »Soldaten eines anderen Landes in unser Land einfallen würden, sagen wir mal, es müssen ja nicht immer die Russen sein, wir leben ja im Zeitalter der Entspannung und so weiter, und das ist ja jetzt sowieso alles hypothetisch, und dann heißt es immer, wir würden hier immer nur gegen die Sowjetunion was sagen, also jedenfalls nehmen wir mal an, da kommen so Soldaten, ist ja nun auch mal egal woher, vielleicht aus Kambodscha, nur mal als Beispiel, und die kommen jetzt zu Ihnen nach Hause und stellen da ihre Eltern an die Wand und wollen die erschießen, sowas ist ja möglich, nicht wahr?«
    Der Vorsitzende machte eine Pause und sah Frank erwartungsvoll an. Frank nickte.
    »Oder aus Nordkorea«, sagte er.
    »Ja, genau, oder aus Nordkorea«, sagte der Vorsitzende. »Ganz genau. Und nun sind Sie auch da und haben ein Gewehr in der Hand oder eine Pistole und könnten die, indem Sie sie erschießen, daran hindern, wiederum Ihre Eltern zu erschießen, was würden Sie denn da machen?«
    »Ja«, sagte Frank und bemühte sich, schon dieses »Ja« so dumm klingen zu lassen wie das, was darauf folgen mußte, »ja«, wiederholte er, und dann sagte er noch einmal »ja« und schaute dabei möglichst betreten auf seine Oberschenkel, »das ist schwer zu sagen, Sie meinen, äh, wie?«
    »Wie jetzt, wie?«
    »Ich habe das nicht so gut verstanden«, sagte Frank, »also die wollen meine Eltern erschießen und ich habe ein Gewehr in der Hand?«
    »Ja, natürlich. Oder eine Pistole.«
    »Das geht ja gar nicht«, sagte Frank, »ich würde ja nie freiwillig ein Gewehr in die Hand nehmen.«
    »Moment mal«, polterte der schlechtgelaunte alte Mann los, »die wollen Ihre Eltern erschießen und Sie würden nichts tun, um die zu retten?«
    »Wen jetzt zu retten?«
    »Ihre Eltern? Nach alledem, was die für Sie getan haben?«
    »Woher wollen Sie denn wissen, was … «
    »Moment«, wurde Frank in diesem Moment von dem Mann mit dem Vollbart unterbrochen, »ganz fair ist das nicht.«
    »Wollen Sie sagen, daß das eine unfaire Frage ist?« sagte der Vorsitzende. »Das würde mich aber wundern. Es ist genau die Frage, die sich stellt, wenn es um das Gewissen geht: Was würde man tun in so einem Fall, deshalb sind wir doch hier.«
    »Man muß sie ja nicht so stellen, die Frage ist ja nicht, was er tun würde, sondern welche Konflikte

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