Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
…« »Schrott?« sagte Franks Mutter. »Was für Schrott.«
»Er schweißt aus Schrott Kunstwerke zusammen, Mutter«, sagte Frank.
»Ja, das ist doch gut, warum denn nicht?« sagte Franks Mutter. »Da hat er wenigstens was zu tun. Seit wann kannst du denn sowas, schweißen?« wandte sie sich an Franks Bruder. »Du hast doch sowas gar nicht gelernt.«
»Ich hab das in Berlin gelernt«, sagte Franks Bruder. »Hab ich mir selber beigebracht.
»Selber beigebracht?« sagte Franks Mutter. »Na, wenn das mal gutgeht.«
»Hast du denn jetzt mal Fotos davon?« fragte Franks Vater. »Mich würde das auch mal interessieren.«
»Nein, nicht dabei«, sagte Franks Bruder. »Die Sachen kommen auf Fotos auch nicht so gut.«
»Oho, die kommen auf Fotos nicht so gut!« höhnte Frank. »Ich denke, du machst hier Geschäfte mit Galeristen und so, wie willst du die denn machen, wenn die deinen Kram nicht mal auf Fotos ansehen können?«
Franks Bruder legte die Gabel beiseite und sah ihn an. »Die kennen das Zeug«, sagte er. »Das sind Profis, die kennen mein Zeug«, und Frank merkte befriedigt, daß sein Bruder langsam seine heitere Gelassenheit verlor.
»Soso, Profis«, sagte er hämisch lächelnd. »Schweißerprofis, oder was?«
»Nun laß ihn mal«, sagte Franks Mutter, »Hauptsache, er kommt über die Runden. Und schick angezogen ist er.« Dann schaute sie zweifelnd auf ihren Teller. »Ich weiß gar nicht, warum ich diese Kohlrouladen gemacht habe. Ich hab die noch nie gemocht. Du, Ernst?«
»Martha, jetzt sind wir fast fünfundzwanzig Jahre verheiratet, und ich habe mich nie über das Essen beschwert. Warum sollte ich gerade jetzt damit anfangen?«
»Ich mag die gerne«, sagte Franks Bruder. »Ich habe seit Jahren keine Kohlrouladen mehr gegessen. Ich finde das g ut .«
»Ja«, sagte Frank. »Du bist ja auch so schick angezogen.«
»Jaha!« sagte Franks Bruder und strich sich über seine Krawatte. »Das ist doch noch mal was, mit dem man einen Junghippie provozieren kann.«
»Nun streitet euch mal nicht«, sagte Franks Mutter. »Ich hab auch noch Kuchen da, ihr müßt das nicht unbedingt aufessen.«
»Ich mag das gerne«, sagte Franks Bruder.
»Ich auch«, sagte Frank.
»Die guten Jungs«, sagte Franks Mutter. »Sie lügen wie gedruckt, nur um ihrer Mutter eine Freude zu machen. Ist doch schön, daß mal wieder alle zusammen sind.«
Frank nickte, und Franks Bruder nickte auch, und schließlich nickte auch Franks Vater.
»Na, das ist doch mal was, daß ihr euch mal einig seid«, sagte Franks Mutter. »Da mach ich gleich mal Kaffee… Und Butterkuchen mögt ihr doch auch alle, oder?«
Wieder nickten sie alle.
»Na bitte«, sagte Franks Mutter zufrieden.
»Natürlich hätte man vielleicht bei der zweiten Verhandlung was reißen können«, sagte Frank, als er mit seinem Bruder später noch über die Berliner Freiheit lief. Sein Bruder hatte darauf bestanden, er wollte sich die alte Gegend mal wieder ansehen, wie er gesagt hatte, und so schlenderten sie an den geschlossenen Geschäften entlang und unterhielten sich mal in Ruhe und ohne andere Leute, was, wie Frank fand, ein großer Fortschritt war. »Aber das war gar nicht der Punkt. Die ganze Sache war einfach die falsche Veranstaltung.«
»Hm …«, sagte sein Bruder.
»Die Sache ist doch so«, sagte Frank, »sie räumen dir nicht das Recht ein zu verweigern, weil du nicht willst, das wäre ja auch sinnlos, dann wäre es ja keine Wehrpflicht, denn dann könnten sie dich ja nicht zwingen, sie räumen dir nur das
Recht ein zu verweigern, wenn du den Dienst mit deinem Gewissen nicht vereinbaren kannst, und dazu mußt du ihrer Ansicht nach eine bestimmte Art von Gewissen haben, und das mußt du ihnen beweisen. Verstehst du?«
»Natürlich. Ich meine, ich brauche keine Aufklärung über Kriegsdienstverweigerung, Frankie, ein bißchen weiß ich auch was, ich weiß, wie das da läuft. Ich weiß bloß nicht, wo das Problem ist.«
»Ich habe diese Art von Gewissen nicht. Also muß ich denen da was vorspielen, im wahrsten Sinne des Wortes, die ganze Sache ist praktisch eine Schauspielprüfung.«
»Ja und? Das geht doch allen so. Dann mußt du halt gucken, daß du ordentlich übst, und dann geht das schon.«
»Ja, aber das ist doch gar nicht der Punkt«, sagte Frank, und er fühlte, daß es auch bei seinem Bruder schwer werden würde, den Punkt begreiflich zu machen, bei seinem Vater war er damit schon gescheitert, und auch Martin Klapp hatte die Sache nicht
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