Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
das Angebot siehst, das die haben, dann kommst du ins Heulen, ehrlich.«
»Manni, jetzt hör mal auf mit dem Scheiß. Wieso sollte man wegen einem Fischangebot ins Heulen kommen.«
»Du verstehst das nicht. Du denkst, das ist alles normal. Du denkst, das ist selbstverständlich, daß es an jeder Ecke ein Fischgeschäft gibt, weil du in Bremen wohnst, wo das so ist, und weil du nie irgendwo anders gelebt hast. Ich geb dir mal ein Beispiel: Die haben da ein Fischgeschäft in Schöneberg, und ich war da neulich mal tagsüber unterwegs wegen einer Ausstellung … «
»Ausstellung? Du hast eine Ausstellung?« unterbrach ihn Frank, der jetzt wirklich keine Lust auf das Fischthema hatte.
»Ja, aber nicht in Schöneberg, in Kreuzberg hatte ich letztens eine, oder noch, was weiß ich, aber das bringt ja alles nichts.«
»Wieso nicht?«
»Das ist eine lange Geschichte. Jedenfalls war ich in Schöneberg, und ich geh da rein und dachte, was man echt mal wieder kaufen sollte, das wäre … «
»Manni, was ist denn los mit dir? Ich meine, wir haben gerade so Scheißkohlrouladen gegessen und hinterher zwei Wagenladungen Butterkuchen und den ganzen Kram, und du kommst mir jetzt mit Fisch, das ist doch Quatsch.«
»Nein, das ist kein Quatsch. Ich sage zu denen, ob sie Bückling haben, und die sagen zu mir: Was ist das denn?. Das mußt du dir mal vorstellen.« ,
»Und was hast du dann gesagt?« fügte sich Frank in das Unvermeidliche.
»Daß sie das ja wohl wissen sollten, wenn sie ein Fischgeschäft sind.«
»Und? Wußten sie’s?«
»Nein. Die hatten keine Ahnung.«
»Und hast du ihnen dann erklärt, was Bückling ist, ja? Habe ich übrigens schon erzählt, daß es beim Bund Leute gibt, die im Stehen einschlafen können?« »Nee, ich wußte das ja nicht so genau. Ich meine, woher soll ich wissen, was genau Bückling ist, wir haben den früher immer gekauft und gegessen, und das war’s, Bückling ist Bückling, so sieht das doch aus. Das müssen die doch kennen.«
»Hast du denen das auch so gesagt?«
»Ja natürlich.«
»Und was haben die dann gesagt?«
»Die haben das überhaupt nicht ernst genommen, die Arschlöcher.«
»Das ist ja eine ungeheure Geschichte, Manni.«
»Bückling … Was ist das überhaupt?«
»Hering. Das ist geräucherter Hering, glaube ich«, sagte Frank.
»Scheiße, das hätte ich wissen müssen, da hätte ich denen ordentlich was erzählen können. Weißt du was, Frankie?« sagte sein Bruder und klopfte ihm auf die Schulter. »Du bist eigentlich genau der Richtige für Berlin. Du mußt da echt mal vorbeikommen, du würdest den Leuten da ordentlich in den Arsch treten!«
»Das geht nicht so einfach, da muß ich erstmal abwarten, bis ich Urlaub nehmen kann, das geht erst, wenn man ein halbes Jahr dabei war«, sagte Frank.
»Und wie lange bist du jetzt dabei?«
»Seit ersten Juli«, sagte Frank. »Das sind jetzt erst vier Monate.«
»Ach ja … «
Und damit erstarb das Gespräch erst einmal eine Zeitlang. Sie drehten an der Post um und schlenderten wieder zurück, und sie kamen dabei sogar am Fischgeschäft vorbei, ohne daß Franks Bruder wieder vom Fisch anfing, was Frank sehr erleichterte.
»Wenn ich nach Berlin will, dann zahlen die mir die Differenz zwischen dem Flug und der Bahn«, sagte er, als sie ungefähr auf der Höhe des Blumengeschäftes waren. »Weil ich nicht mit dem Zug fahren darf. Wegen dem Ostblock und so.«
»Das ist praktisch.«
»Ja, aber dann muß man auch fliegen, ist anders gar nicht erlaubt.«
»Na und?«
»Ich bin noch nie geflogen.«
»Echt nicht?« sagte Franks Bruder belustigt. »Du bist noch nie geflogen?«
»Nein, wann denn? Wohin denn? Du denn?«
»Ja, nach New York mal.«
»Echt? New York?«
»Ja. Mit dem Goethe-Institut.«
»Aha … «
»Also könntest du frühestens nächstes Jahr kommen, ja?«
»Ja. Wieso?«
»Nur so«, sagte Franks Bruder. »Das ist noch weit hin, das sind noch zwei Monate. Man weiß nie, was in zwei Monaten ist. So weit kann man gar nicht planen.«
»Nein«, sagte Frank, »das kann man nicht.«
»Das ist wie mit der Wettervorhersage: Länger als drei Tage im voraus geht das nicht. Und mit dem Planen ist das genauso.«
»Das sehen aber viele Leute anders.«
»Ja, aber das denken die nur. Meiner Meinung nach weiß man nie weiter als drei Tage im voraus.«
»Das ist Quatsch«, sagte Frank. »Ich weiß leider ziemlich genau, wo ich die nächsten dreihundertzwanzig Tage verbringe. Weißt du noch? Da unten war mal der
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