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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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gibt’s nur Fleisch mit Fleisch.«
    »Na dann …«, sagte sie und lächelte fahrig, und Frank merkte, daß sie unruhig wurde, es zog sie wohl zurück in die Aula zu ihren Freunden, ganz im Gegensatz zu Frank, den jetzt keine zehn Pferde mehr da hineingebracht hätten. »Laß uns morgen da treffen«, sagte sie und fügte, wie um es sich selbst besser einzuprägen, hinzu: »Morgen dann, im Dubrov-nik.«
    »Ja«, sagte Frank, »morgen im Dubrovnik.«
    »Ja«, sagte sie, »ich muß dann mal wieder.«
    »Ja«, sagte Frank, »das ist ja sicher auch wichtig.«
    »Ja«, sagte sie, »ich bin mit den Leuten da.«
    »Ich auch«, sagte Frank. »Ich bin auch mit den Leuten da. Du mußt dann da rum«, sagte er und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen war, »und ich geh dann da rum … «
    Sie tippte ihm ein letztes Mal auf die Brust und lächelte ein letztes Mal zu ihm hoch. »Du bist ein Schatz, weißt du das?«
    »Nein«, sagte er und wurde plötzlich wütend, »nein. Bin ich nicht. Ich bin kein Schatz!«
    »Dann eben nicht«, sagte sie.
    »Okay«, sagte er, und es tat ihm gleich schon wieder leid.
    »Dann bis morgen«, sagte sie und ging in ihre Richtung.
    »Wann morgen?« rief Frank ihr hinterher. »Ach so, ja, wie wär’s mit … acht?«
    »Okay«, sagte Frank. »Um acht im Dubrovnik!«
    Sie nickte und ging in die eine Richtung davon, und Frank ging in die andere Richtung, aber er ging nicht mehr zurück in die Aula, sondern verließ die Schule. Er wußte, daß er es nicht ertragen würde, Sibille den Rest des Abends aus der Ferne zu beobachten, und außerdem fürchtete er, daß Martin Klapp etwas merken könnte. Man sollte sein Glück nicht herausfordern, dachte er, während er die Kohlhöker Straße entlangging. Leider war es noch viel zu früh, um schlafen zu gehen, und zu Hause, das wusste er, hatte er nur noch einen kleinen Kerzenstummel, das reichte nicht, um noch ernsthaft etwas zu lesen.
    Er kam an dem Haus vorbei, an das jemand vor ewiger Zeit schon die Worte >Die lila Eule beginnt erst in der Dämmerung ihren Flug< gesprüht hatte. Kein Wunder, dachte er
    grimmig, kein Wunder, wahrscheinlich hat sie ihre Stromrechnung nicht bezahlt, die lila Eule, dachte er, das treibt sie aus dem Haus, wenn es dunkel wird.
38.  BUDDENBROOKS
    Und nicht nur das, die lila Eule ist auch Alkoholiker, dachte Frank grimmig, als er in die nächste Kneipe, an der er vorbeikam, hineinging, das war die Kneipe Zum steinernen Kreuz, die aber niemand so nannte, sondern die von allen immer nur Der Türke genannt wurde, und das ist auch kein Wunder, denn wenn man erst mal keinen Strom und keine funktionierende Dusche und kein funktionierendes Klo mehr hat, dachte er, dann ist man ja schon zur Hälfte obdachlos, und wer obdachlos ist, der ist ja meistens auch Alkoholiker, dachte er, bestellte sich ein Bier und setzte sich an einen freien Tisch. Die meisten Tische waren frei, wahrscheinlich weil Montag ist, dachte Frank, und weil die Studenten, die ja die einzigen sind, denen der Montag so scheißegal wie der Sonntag sein kann, dachte er, gerade alle bei der Vollversammlung sind, um die Vereidigung zu verhindern, dachte er, denn warum sie auch immer diesen Laden den Türken nennen, dachte er, mit Türken und der Türkei hat das hier nichts, mit Studenten aber alles zu tun. Dann bekam er sein Bier, und das machte ihn nicht fröhlicher, er hatte überhaupt keine Lust, Bier zu trinken, alles, was er sich wünschte, war, daß er müde wurde und schlafen gehen konnte, damit endlich bald der nächste Tag kam, der Tag, an dessen Abend er mit Sibille verabredet war.
    Widerwillig trank er das Bier, Schluck für Schluck zwang er es hinunter, aber so ist sie nun mal, die Obdachlosigkeit, dachte er, einer Reportage im Fernsehen gedenkend, in der alle Obdachlosen einstimmig erklärt hatten, daß es die Obdachlosigkeit gewesen sei, die sie zu Trinkern gemacht hatte, »anders ist es gar nicht auszuhalten, dieses Leben«, hatte einer von ihnen gesagt, und Frank verstand jetzt gut, was der Mann meinte, und um die Sache rund zu machen, drehte er sich eine Zigarette, irgend jemand muß ja im Türken die studentischen Bräuche hochhalten, während die Studenten die Vereidigung verhindern, dachte er, ohne sich über diesen schönen Gedanken allzusehr freuen zu können, ein Buch und ein Bett wären besser als der schönste Gedanke über studentische Bräuche, dachte er, aber dann trank er noch ein paar Schlucke von seinem Bier und rauchte die Zigarette, und

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