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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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als getan, dachte er, während draußen die Leute vorbeihasteten und sich Autos und Straßenbahnen gegenseitig blockierten, es gab zu viel, über das es nachzudenken galt, in letzter Zeit waren die Dinge mehr oder weniger auf ihn eingestürzt, und das Ding, das ihn am meisten irritierte, war zugleich das, über das ihm das Nachdenken am schwersten fiel, das Ding mit Sibille, das zugleich aber auch das dringlichste Ding war, denn nun, da es endlich zu dem sehnlichst erwarteten Wiedersehen mit ihr kommen würde, zu einer Möglichkeit, in Ruhe und unter vier Augen mit ihr zu sprechen, mußte er feststellen, daß er nicht den Hauch einer Ahnung hatte, ob er wirklich mit ihr besprechen sollte, was er unbedingt mit ihr besprechen wollte, er wollte das zwar unbedingt besprechen, aber was ist mit ihr, dachte er, will sie das auch besprechen, das ist doch schon mal die Frage, und aus der Antwort ergibt sich doch überhaupt erst, ob ich das auch überhaupt wollen sollte, das wird ja alles immer verwirrender, dachte er, will ich es besprechen oder soll ich es besprechen, damit fängt es ja schon einmal an, und schon wenn man überhaupt nur anfängt, darüber nachzudenken, dachte er, kriegt man das schon durcheinander, wie soll man dann erst den ganzen Rest auf die Reihe kriegen, so kann man es jedenfalls nicht anfangen, wenn man mit einem reden will, den man liebt, dachte er und erschrak sofort angesichts dieses Gedankens, das ist ein starkes Wort, dachte er, liebt, das sollte man nicht leichtfertig verwenden, dieses Wort, dachte er, auch nicht in Gedanken, denn dahinter kommt nichts mehr, es gibt davon keine Steigerung, dachte er verwirrt, und wann hat das überhaupt angefangen?
    »Zu trinken? Sie wissen schon?« fragte der Kellner, der unterdessen, von Frank unbemerkt, zurückgekommen war, der sich, wie Frank, der bei den Worten des Mannes zusammengezuckt war, verärgert dachte, geradezu angeschlichen hatte, der soll doch zum Bund gehen, wenn er schleichen will, dachte er, hier könnte das gefährlich werden, ich könnte Harry sein, dachte er, und dann gute Nacht, jugoslawischer Kellner, dann gibt’s ordentlich was auf die Backen, Glück gehabt, Spaßvogel, dachte er, daß ich nicht Harry bin.
    »Ja, weiß ich auch nicht … «
    Er sah auf zu dem Mann, der sich der Gefahr nicht bewußt zu sein schien, in der er geschwebt hatte, und nahm von ihm die große, schwere, ledereingebundene Karte entgegen, in der, das wußte Frank natürlich schon von seinen vielen früheren Besuchen hier, die Namen einer unendlichen Anzahl jugoslawischer Fleischspeisen auf ihre Leser warteten.
    »Ich nehme ein Bier vielleicht«, sagte er. »Ansonsten kommt da noch jemand.«
    »Ein Bier vielleicht«, sagte der Kellner und ging davon. Frank sah ihm nach und fragte sich, ob das jetzt ein Witz gewesen war oder nicht, bis ihm einfiel, daß das nun wirklich völlig egal war, daß es wichtigere Dinge gab, Sibille zum Beispiel, und daß er sie liebte und die Frage, wann das eigentlich angefangen hatte, was überhaupt das größte Rätsel bei der ganzen Sache war.
    Normalerweise weiß man sowas immer ganz genau, dachte er, als er sein Bier bekam, verdächtig schnell, wie er noch bemerkte, das war ihm schon immer aufgefallen, wie schnell die hier das Bier parat hatten, die haben ein Geheimnis, dachte er, aber das größere Geheimnis ist die Sache mit Sibille, kam er wieder aufsein eigentliches Thema zurück, es war nicht die Nacht mit dem Sex, dachte er, es war früher, aber wann? Und was hatte dabei der Quatsch mit Birgit zu bedeuten, fragte er sich, das wäre auch nochmal was, über das man nachdenken könnte, dachte er, von der Sache mit den vier Wochenenden Ausgangssperre einmal abgesehen, das wird alles ein bißchen viel im Moment, die Nerven werden dünn, dachte er, da beißt die Maus keinen Faden ab.
    »Was wollen Sie essen?« fragte der Kellner, der plötzlich wieder neben ihm stand.
    »Noch nichts«, sagte Frank, »ich bin hier verabredet, da kommt noch jemand, aber erst um acht, da ist doch noch ein bißchen Zeit … «
    Der Kellner sah auf seine Uhr und nickte. »Ist noch Zeit!« bestätigte er.
    »Na sehen Sie«, sagte Frank, der das Bier mittlerweile ausgetrunken hatte, so schnell wie sie es zapfen, so schnell trinkt man es auch, dachte er zerstreut, »dann bringen Sie mir doch noch, dann bringen Sie mir doch noch, ich weiß auch nicht, kein Bier, vielleicht …« —gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, daß Sibille eine große Rotweintrinkerin

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