Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
vor.
»Ja. Darüber nachdenken, wie es so weit kommen konnte,
Lehmann.«
»Vier Wochenenden …«, sagte Frank, noch immer überlegend, woher ihm das bekannt vorkam. »Vier Wochenenden … «
»Haben Sie noch was zu sagen, Lehmann, oder reden Sie bloß, um es auswendig zu lernen?« fragte der Major hämisch.
»Unerlaubte Abwesenheit von der Truppe«, sagte Frank, dem es plötzlich wieder einfiel. »In meiner Grundausbildung gab es einen Fall, wo einer auch vier Wochenenden bekommen hat, aber wegen unerlaubter Abwesenheit von der Truppe. Den hatten die mit den Feldjägern holen müssen, dafür hat der vier Wochenenden bekommen. Und bei mir bloß wegen der Grünzeugkarte, das ist doch …«
»Was wollen Sie hier, Lehmann? Wollen Sie feilschen? Mit mir? Mit mir wollen Sie feilschen, ja? Ist das das Bild, das Sie von mir haben?« Der Major wurde wieder lauter. »Ist das das Bild, das ihr alle von mir habt, ja? Einer, mit dem man feilschen kann, wenn man gegen die Dienstvorschriften verstoßen hat? Irgend so ein Trottel?« brüllte der Major und sprang auf. »Bin ich das für euch, ja? Irgend so ein Vollidiot, der überhaupt nicht meint, was er sagt? Ist das so?«
»Alles klar, schon gut«, sagte Frank mit beruhigender Stimme, »ist ja schon gut.« Irgendwas stimmte mit dem Mann nicht. »Schon gut. Vier Wochenenden. Kein Problem. Ich geh dann mal.«
»Ja«, sagte der Major und ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen. »Gehen Sie, Lehmann, gehen Sie mir aus den Augen.«
»Schütze Lehmann, melde mich ab«, sagte Frank, und um dem Mann eine Freude zu machen, ging er sogar in Grundstellung und grüßte, aber der Major sah gar nicht hin, er schaute nur auf seine Hände, wie um festzustellen, ob sie zitterten.
»Tschüß dann«, sagte Frank vorsichtig, um zu sehen, ob der Mann noch ganz da war.
»Ja, tschüß dann«, sagte der Major. Seine Hände zitterten
tatsächlich.
Frank machte, daß er wegkam. Draußen stieß er mit dem Spieß zusammen, der anscheinend gelauscht hatte. Der Spieß schaute ein bißchen sorgenvoll drein.
»Was war denn da drinnen los, Lehmann?« fragte er, nachdem Frank die Tür zum Major geschlossen hatte.
»Nichts«, sagte Frank.
»Was haben Sie denn mit ihm gemacht?«
»Ich? Mit ihm? Nichts.«
»Sie müssen doch irgendwas gemacht haben.«
»Ich habe nichts gemacht.«
»Sie müssen den Major doch wohl provoziert haben.«
»Weiß ich nicht«, sagte Frank.
»Ich hoffe, das wird Ihnen eine Lehre sein, Lehmann.«
»Ja«, sagte Frank.
»Das sollte es.«
»Auf jeden Fall«, sagte Frank.
»Sie sollten mal Ihre Klamotten wechseln, Lehmann. Sie stinken nach Diesel, das ist ja kaum auszuhalten.«
»Ich bin in der Betriebsstoffgruppe, Hauptfeld.«
»Na und? Die anderen in der Betriebsstoffgruppe stinken doch auch nicht nach Diesel.«
»Ja«, mußte Frank zugeben. »Ja, das stimmt. Aber einer muß ja auch die Arbeit machen.« Darüber mußte er lachen. Es war kein fröhliches Lachen, und er wollte es auch nicht haben, aber es ging nicht anders.
»Noch lachen Sie«, sagte der Hauptfeld. »Noch lachen Sie, Lehmann.«
»Tut mir leid«, sagte Frank noch immer lachend, es wurde immer schlimmer, »tut mir furchtbar leid.«
»Möchte mal wissen, was so lustig ist«, sagte der Hauptfeld.
»Ich auch«, lachte Frank, »ich auch.«
41. GRILLPLATTE BALKAN
Als Frank eine halbe Stunde früher als verabredet das Restaurant Dubrovnik betrat, war dort nicht viel los, es war tatsächlich, so weit er sehen konnte, kein Mensch da, aber das fand er nicht weiter erstaunlich, hier war noch nie viel los gewesen, und er hatte sich schon manches Mal gefragt, ob dieses Restaurant für die Leute, die es betrieben, nicht eher ein exzentrisches Hobby war. Und kaum war die Tür hinter ihm zugefallen, kam auch schon der Kellner aus der Tiefe des halbdunklen Raumes herbei, begrüßte ihn mit den Worten »Alles frei« und bugsierte ihn dennoch zielstrebig zu einem ganz bestimmten Tisch am Fenster. Frank hätte lieber einen Tisch weiter hinten gehabt, aber der Kellner wollte davon nichts wissen, »alles frei«, wiederholte er aufmunternd, »kein Problem, schön am Fenster«, sagte er und wartete neben dem Tisch, bis Frank sich gesetzt hatte. Dann verschwand er für einige Zeit, was Frank die Gelegenheit gab, durch die große Schaufensterscheibe am >v< des Restaurantnamens vorbei auf den Ostertorsteinweg zu blicken und ein bißchen darüber nachzudenken, was nun werden sollte.
Nachdenken - das ist einfacher gesagt
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