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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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gab ein Mordsgelächter, so als hätte Frank den besten Witz seines Lebens gemacht, und in das Gelächter mischte sich das Geräusch von Trillerpfeifen und später auch wieder der Ruf »Vize«, während alles immer weiterlachte, bis auf Frank und seine Kameraden, von denen Leppert noch immer neben dem betrunkenen, älteren Soldaten stand, der sich am meisten von allen nicht mehr einkriegte und »vierhundertfünfundfünfzig, vierhundertfünf-undfünfzig« und »ich muß mich gruseln« rief, dann aber zu seinem Tisch zurückkehrte und mit seinen Leuten zusammen in die Trillerpfeifen blies, und dann wurde »hundertneun-undsiebzig, ihr Schnüffel« von dort herübergebrüllt, und »Vize«, überhaupt kamen von überall her Tageszahlen, »zweihundertfünfundsechzig«, »neunundachtzig«, »achtundachtzig«, da sind sich zwei nicht einig, dachte Frank, aber dann trat schon Schmidt in Aktion und rief »vierhundert-fünfundfünfzig, vierhundertfünfundfünfzig«, immer wieder, und Hoppe stimmte mit ein, und schließlich brüllten sie alle, auch Frank, mit aller Wut und allem Trotz, die sie aufbringen konnten, ihre trostlose Tageszahl in den Raum, rhythmisch und gemeinsam, bis letztendlich der ältere Mann vom Tresen »Ruhe« und »jetzt ist aber genug« rief, so lange, bis wirklich Ruhe war und sich alle wieder um ihre Getränke kümmerten.
    Das taten auch Frank und seine Kameraden, aber ihre Zeit war fast um, und die Luft war raus. Leppert holte zwar noch einmal eine Runde, aber sie hatten nichts mehr, worüber es sich zu unterhalten lohnte, die vorherigen Themen waren nicht mehr aktuell, und über ihr neuestes Erlebnis, bei dem sie sich, wie Frank es sah, ganz gut behauptet hatten, konnten sie hier und jetzt natürlich nicht reden, dazu war die Lage noch immer zu heikel. Sie tranken hastig und schweigend aus, während Frank sich fragte, ob nicht doch eine Schlägerei die bessere Lösung gewesen wäre. Es ist nicht gesagt, daß man hier als Hippietyp weit kommt, dachte er, es sieht eher nicht so aus, dachte er, andererseits bringt es auch nichts, hier gleich die Harrytour zu fahren, dachte er, man weiß ja nicht, was das für Folgen hat, egal wie man’s macht, es ist immer falsch, dachte er, und darin schien ihm in dieser fremden Welt ein entscheidender Punkt zu liegen, das ist immerhin mal ein Ansatz, dachte er, vielleicht kann man darüber ja am Wochenende mal in Ruhe nachdenken, auch nüchtern und so, dachte er, denn ihm war schon ziemlich benebelt zumute.
    Dann hatten sie ausgetrunken, und es war Zeit, in die Kompanie zurückzugehen, es war schon Viertel vor zehn, und als sie gingen, wurde ihnen einiges nachgerufen: »Zeit ins Bett zu gehen, ihr Schnüffel« und: »Die Kisten haben Zapfenstreich«, und ein bißchen gelacht wurde auch wieder, aber das war egal, das zog nicht mehr. Hoppe rief im Rausgehen noch ein provozierendes »Vierhundertfünfund-fünfzig« zurück, und auch das war jetzt schon eher peinlich, und dann waren sie draußen, wo sie sich auf dem kurzen Weg zur Kompanie schnell noch gegenseitig auf die Schultern und Rücken hauten und sich bestätigten, daß man es den Arschlöchern aber ordentlich gezeigt hatte, und dann stolperten sie in ihre Stube, zogen sich aus und legten sich wie alle anderen in ihre Betten, bis auf Hartmann, der der Stubenälteste war und im Pyjama die Meldung machen mußte. »Stube mit neun Mann vollständig belegt, acht Mann in den Betten und so«, nuschelte er übermütig, aber der UvD störte sich nicht daran, befahl ihm nur, das Licht auszumachen, und wünschte eine gute Nacht. Frank lag noch einige Zeit im Dunkeln und versuchte sich die Zahl vierhundertfünfundfünfzig vorzustellen, vierhundertfünfundfünfzig Tage wie dieser, dachte er, aber das führte zu nichts, er war zu betrunken, er hatte das Bier nicht gut vertragen und den Jägermeister schon gar nicht. Ich werde am Wochenende darüber nachdenken, dachte er, übermorgen ist Wochenende, und dann wird erst mal so richtig in Ruhe nachgedacht. Mit diesem Gedanken schlief er ein.
6. WEGTRETEN
    Der folgende Tag hatte es in sich, es schien, als sei der freie Abend am Mittwoch nur eine trügerische Verschnaufpause gewesen, ein kurzes, verwirrendes Lockern der Leine, die sich am Donnerstag umso straffer anzog. Frank schien es im nachhinein, als sei der Donnerstag seiner ersten Woche bei der Bundeswehr der längste Tag seines Lebens gewesen, ein Tag, der mit peniblen und mehr als bösartigen Stuben- und Spindkontrollen begann

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