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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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schreckte auf.
    »Ja, ja«, rief er.
    »Wie heißt das?«
    »Jawohl, Herr Hauptmann.«
    »Dann ist ja gut«, sagte der Hauptmann und gab ihnen den Befehl, zum Abendessen selbständig wegzutreten. Die Kompanie ging auseinander. Jemand klopfte Frank auf die Schulter. Es war Leppert.
    »War eine gute Frage«, sagte er ernst. Hoppe und Schmidt standen auch dabei und nickten. »Was sollen wir machen?« fragte Hoppe.
    »Weiß nicht«, sagte Frank. »Vielleicht …« Ihm fiel nichts Gutes ein.
    Leppert nickte. »Scheißegal. War eine gute Frage.«
    Während des Abendessens beschlossen Leppert, Hoppe, Hartmann, Schmidt und Frank, zusammen ins Mannschaftsheim zu gehen, eine Art Kneipe in der Kaserne, die gleich neben der Kantine lag. Die Kaserne zu verlassen traute sich keiner von ihnen, und auf ihrer Stube war es zu eng und zu voll, und sie hatten dort zwei Offiziersanwärter, die Pioniere OA Neuhaus und Raatz, echte Spaßbremsen, wie Schmidt es nannte, also stiefelten sie nach dem Abendessen hinüber in das Mannschaftsheim. Das Mannschaftsheim war eine düstere Angelegenheit, ein schwach beleuchteter Raum mit zwei kleinen Fenstern und einer Theke, hinter der nicht nur Bier und andere Kaltgetränke, sondern auch Pommes frites, Buletten, Currywürste und ähnliches verkauft wurden, was man auch riechen konnte, ansonsten gab es an den Wänden Sitzbuchten und in der Mitte dunkelbraune Tische und Stühle, überhaupt war Dunkelbraun die vorherrschende Farbe, die Wände waren mit Profilbrettern verkleidet und mit allerhand Wappen und Wimpeln geschmückt. Frank war es ganz recht, daß es hier nicht taghell war, je dunkler, desto besser, dachte er, denn er war sich nicht sicher, ob sie hier willkommen waren, als Neuling war man, so viel hatte er schon bemerkt, nicht gerade populär in dieser Kaserne. Aber es war nicht viel los, und sie fanden eine Sitzbucht, in der sie ganz allein für sich in Deckung gehen konnten, und Frank erklärte sich bereit, Getränke zu holen. Alle wollten Bier, »Erst einmal warm werden«, wie Schmidt sagte, der nach Franks Meinung unnötig laut sprach und sich gefährlich auffällig umschaute, »Scheißladen«, hörte Frank ihn sogar rufen, als er zur Theke ging, an der bereits zwei ältere Soldaten für irgend etwas anstanden. Der hintere der beiden guckte sich um, als Frank sich dazustellte, er starrte Frank ins Gesicht und murmelte etwas wie »Schnüffel«, aber Frank ignorierte das und tat so, als studiere er die Preistafel. Der andere verlor schließlich das Interesse, und irgendwann kam Frank glücklich mit fünf Bier zurück an den Tisch, setzte sich dazu, und alle tranken schweigend und in Ruhe vor sich hin.
    Es ist kein Wunder, daß keiner was sagt, dachte Frank, während er das Bier hinunterwürgte. Er mochte Bier nicht besonders, er war sowieso kein großer Trinker, aber das Zeug mußte runter, so viel war klar, und solange er trank, hatte auch er das Gefühl, nichts sagen zu müssen, erst einmal nachdenken, dachte er, denn das hatte ihm bis jetzt am meisten gefehlt, nachdenken zu können, sich irgendwie einen Überblick darüber zu verschaffen, was in den letzten dreißig Stunden eigentlich passiert war, und wie er das alles einzuschätzen hatte. Aber auch jetzt, im ersten wirklich ruhigen Moment, seit er in der Kaserne war, fiel ihm das nicht leicht. Kein Wunder, daß keiner was sagt, dachte er wieder, man muß das alles ja auch mal in Ruhe überdenken, dachte er, aber das brachte ihn dabei natürlich nicht weiter, das ist innere Metadiskussion, dachte er, einen Begriff benutzend, den Martin Klapp neuerdings gerne benutzte, ich denke mehr über das Nachdenken und über Martin Klapp nach, dachte er, als über das, worum es eigentlich geht, es ist schwer, sich beim Nachdenken zu konzentrieren, dachte er, wenn man gleichzeitig über das Nachdenken nachdenkt, und wenn man über das Konzentrieren nachdenkt, kann man sich auch schlecht konzentrieren, komisch aber wahr, dachte er, dabei ist es wichtig, sich das alles mal in Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen, versicherte er sich selbst, und darüber fiel ihm ein Film ein, den er neulich, in seinem früheren Leben als Zivilist, im Fernsehen gesehen hatte, irgend etwas mit einem deutschen U-Boot am Ende des Zweiten Weltkriegs, da waren zwei Japaner drauf gewesen, die Selbstmord begehen wollten, und der eine hatte gesagt »Das Leben ist kurz«, und der andere hatte gesagt »Ja, kaum Zeit zum Nachdenken«, und dann hatten beide geweint und sich

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